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16

Interview mit Persoblogger Stefan Scheller

Employer Branding - sinnvoll oder Buzzword?

Immer wieder klagen Unternehmen über Schwierigkeiten, gutes Personal zu finden. Doch häufig mangelt es vor allem daran, Kandidaten zu vermitteln, warum es sich lohnt, für gerade dieses Unternehmen zu arbeiten. Employer Branding ist das Stichwort. 

Dominik Josten: Hallo und herzlich willkommen hier im HR Heute Podcast. Heute geht es um Employer Branding. Dieser Begriff wird ja gefühlt häufiger verwendet, als vielleicht immer so verstanden, denn viele setzen es auch einfach mit einer Karriereseite, HR-Marketing oder auch Unternehmensimage gleich. Aber eigentlich steckt ja deutlich mehr dahinter, nämlich das Ziel, in gewissem Maße unabhängig davon wie das Unternehmen seine Produkte oder Dienstleistungen positioniert, als Arbeitgeber zur Marke zu werden. Also bekannt für bestimmte Eigenschaften als Arbeitgeber zu sein.

Wenn es klappt, hat es viele Vorteile. Weniger Recruiting-Aufwand, bessere Bewerber, höhere Mitarbeiterloyalität und im Idealfall sogar geringere Gehaltskosten, weil Bewerber und Mitarbeiter der reinen Tatsache für dieses Unternehmen arbeiten zu dürfen, schon einen Wert beimessen. Gerade bei zunehmendem Wettbewerb um die besten Talente wird die Frage, wie man sich heute von anderen Arbeitgebern spürbar unterscheiden kann, immer wichtiger.

Wie das geht, welche Fehler hiesige Unternehmen vielleicht machen und wie man die Entwicklung einer Arbeitgebermarke am besten angeht, darüber unterhalte ich mich mit meinem heutigen Gast. Er ist schon einer der Promis der HR-Szene. Der Mann, der niemals schläft. Jedenfalls kann ich es mir nicht anders erklären, denn neben seinem Vollzeitjob als Employer Branding Experte beim Softwareunternehmen Datev und seiner Rolle als Familienvater zweier kleiner Kinder hat er sich als Blogger einen Namen gemacht. Seine persönliche Seite, die er über die Jahre zu einem enorm umfangreichen HR-Portal ausgebaut hat, ist zu einem der reichweitenstärksten HR-Seiten im deutschsprachigen Raum geworden. Die Rede ist natürlich vom Perso-Blogger himself, the one and only Stefan Scheller. Hallo Stefan, herzlich willkommen. Schön, dich als Gast zu haben.

Stefan Scheller: Hey, grüß dich. Da werde ich ja rot. Gut, dass wir nur einen Podcast aufnehmen und kein Video machen.

Dominik Josten: Aus der Ferne muss ich wirklich sagen „Respekt, was du dir da aufgebaut hast“. Das wissen gar nicht alle, es ist eigentlich dein Nebenjob oder Hobby gewesen dieses Portal.

Über unseren Interview-Gast:

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Stefan Scheller

Stefan Scheller bezeichnet sich selbst als „bunter Hund im HR“. Nach zwei bayerischen Staatsexamina und einer Rechtsanwaltszulassung (bis 2013) stieg er im Jahre 2000 im Consulting der DATEV eG ein und ist dort inzwischen unter anderem verantwortlich fürs Employer Branding.

Quasi "nebenbei" hat er, getrieben vor allem von viel Passion, einer starken Meinung und Freude am Austausch, den HR-Blog persoblogger.de aufgebaut, den er über die Jahre zu einem umfangreichen HR-Portal ausgebaut hat. Persoblogger.de gehört inzwischen zu den reichweitenstärksten Seiten dieser Art.

Wie Stefan Scheller zum Persoblogger wurde

Dominik Josten: Jetzt hast du ja kürzlich groß umgebaut, aber wenn du jetzt mal an den Anfang denkst, wie kam es eigentlich dazu? Hast du selber mal gedacht „das ist vielleicht branding in eigener Sache“ oder hast du da eine Marktlücke gesehen, die vielleicht sogar zum Geschäftsmodell taugt oder einfach Lust zum Bloggen? Wie war die Motivation, wie kam es dazu?

Stefan Scheller: Also tatsächlich hatte ich in keinster Weise irgendwo ein Ziel, eine eigene Bekanntheit aufzubauen. Damals gab es den Begriff Influencer so noch gar nicht, 2013 war das, sondern es war tatsächlich ein eigenes Sendungsbewusstsein. Ich hatte zu vielen Themen eine Meinung und ich war auch der Ansicht, dass die Medien teilweise sehr eintönig über Themen berichten. Also wenn dann einer sagt „du musst mobile recruiting machen und du brauchst die One-Klick-Bewerbung“, dann schreibt ein Dienstleister, ein Portal in gewisser Weise von einem anderen ab und irgendwo befeuert sich der Markt dann selbst, bis man einen Trend gemacht hat.

In der Praxis habe ich oftmals den Kopf geschüttelt und war aber auch immer der Ansprechpartner von Dienstleistern, die uns bei Datev was verkaufen wollten und da habe ich immer gesagt „ganz ehrlich, ich sehe den Anwendungsbereich hier nicht“. Das war der Auslöser zu sagen „ich gehe selber auch in den Markt rein, äußere diese Meinung und positioniere mich bewusst kritisch zu diesen aktuellen Themen“. Das war dann auch relativ schnell eine Art Alleinstellungsmerkmal, eigentlich immer eher hinterfragend unterwegs.

Dominik Josten: Ja das ist auch immer eine gute Qualität gewesen. Gerade im HR fällt mir das ganz oft auf, es gibt irgendwie die nächste „Sau, die durchs Dorf getrieben wird“ mit dem neuesten Schlagwort und bei den meisten Themen ist ja auch ein wahrer Kern. Die Grundidee hinter dem One-Klick-Recruiting, dass es für den Bewerber nicht so massiv Arbeit sein sollte sich zu bewerben, da ist ja was Wahres dran.

Haben sich die Ansprüche an Arbeitgeber verändert?

Dominik Josten: Vielleicht ein bisschen dein Eindruck, wenn man auf den Arbeitnehmermarkt erstmal schaut, jetzt nach einem Jahr Corona, nach einem Jahr mehr oder weniger – nicht Dauerlockdown – aber irgendwie so. Hast du das Gefühl, dass sich die Ansprüche und Anforderungen, die Kandidaten und Arbeitgeber stellen, dass die sich schon verändert haben oder ignorieren die meisten das als vorübergehendes Phänomen und es sind die gleichen Anforderungen wie immer schon?

Stefan Scheller: Ich glaube das kommt drauf an. Wir hatten vorher auch nicht zwangsweise das, was immer unter dem Stichwort Fachkräftemangel durch die Medien getrieben wurde, sondern es kam sehr genau darauf an, zu welcher Sorte, Sparte oder Zielgruppe ich denn gehöre. In der Bundesagentur gibt es ja sogenannte Engpasszielgruppen und wenn ich natürlich einer dieser Engpasszielgruppen angehöre und mich bewerben will, dann ist natürlich klar, dass sich der Markt, der sich umgedreht hatte, dass sich die Arbeitgeber, die Unternehmen quasi bei mir bewerben, aber es gibt auch relativ viele Jobs, wo gefühlt sehr viele Bewerbungen eingehen und das Unternehmen die Auswahl hat oder es zumindest nicht für nötig hält, entsprechend wertschätzend mit den BewerberInnen umzugehen, sodass man jetzt auf deine Frage kommend, unterscheiden muss.

Wenn ich heute weiß, was mein Marktwerkt ist, dann ist die Anspruchshaltung durch Corona nicht zwangsläufig geringer geworden. Umgekehrt kann man sagen, dass die Arbeitgeber, die es geschafft haben in dieser Krise irgendwo noch den Kopf oben zu behalten ohne gleich in Massenentlassungen zu verfallen oder vielleicht anderweitig in Schwierigkeiten zu kommen oder auf die Krise nicht so reagiert haben, wie es die Mitarbeitenden gut finden, sprich wo der Kununu-Wert plötzlich in die Knie ging, wie alle gesagt haben „da hätte ich mir jetzt mehr erwartet“, dass dort schon eine Auswirkung, eine Veränderung zu sehen ist. Generell glaube ich, dass die Ansprüche durch die Coronakrise nicht zwangsweise sich ganz grob verändert haben.

Dominik Josten: Okay. Ich hätte gedacht, dass vielleicht jetzt verstärkt nach dauerhaftem Homeoffice gefragt wird als vorher, selbst da, wo man es nicht so erwartet.

Stefan Scheller: An der Stelle vielleicht tatsächlich. Das Thema remote work und die Frage „kann ich im Homeoffice arbeiten?“, ob es jetzt schon gleich ein Anspruch ist, weiß ich nicht, aber auch da wäre ich vorsichtig, weil wir haben gesehen, dass sehr viele Unternehmen das Rad ja durchaus zurückdrehen wollen relativ stark. Das Hybride, von dem wir in den Medien ganz oft hören, hoffe ich, dass es allgemeingültig wird, aber ich glaube, dass wir da auch wieder in so einer Blase sitzen und dass sehr viele sagen „jetzt ist Corona vorbei, ich habe hier ein großes Gebäude, das muss auch irgendwie voll werden, jetzt kommt ihr wieder alle her“.

Dominik Josten: Glaube ich sofort. In meinem privaten Umfeld erlebe ich das auch sehr viel. Das wäre jetzt ein eigenes Thema für sich. Vieles hat da auch mit Führungsqualität und Führungskultur zu tun, ob man es schafft, Teams erfolgreich remote zu steuern, das ist ja eine andere Eigenschaft. Das ist ein Thema für sich. Wir wollen heute erstmal genereller beim Thema Employer Branding bleiben.

Was ist eigentlich Employer Branding?

Dominik Josten: Apropos, ich habe zum Eingang schon mal meine Sicht darauf betrachtet, dass ich eigentlich finde, dass eine wirkliche Arbeitgebermarke mehr ist, als attraktiv als Arbeitgeber zu sein. Das ist natürlich wichtig, aber man kann natürlich auch sehr viel Geld bezahlen, dann ist man zwar attraktiv als Arbeitgeber, aber ohne diese einen Faktor ist die Marke vielleicht doch nicht mehr so stark. Das heißt die Leute kommen wegen des Geldes und nicht wegen der Marke, das ist ja nicht die Grundidee von einer erfolgreichen Marke. Wie würdest du es abgrenzen? Ist es das Gleiche wie ein Unternehmensimage, wer starke Produkte hat, hat automatisch eine starke Arbeitgebermarke oder wie würdest du es definieren, was gehört alles dazu zum Employer Branding?


Stefan Scheller: Man muss da erstmal unterscheiden. Es gibt zum einen die Employer Brand, das ist ja dann die Arbeitgebermarke. Das ist das, was die relevanten Zielgruppen in den Märkten über den Arbeitgeber denken in seiner Rolle als Arbeitgeber und eben nicht als Gesamtunternehmen. Wenn ich jetzt ein Sportartikelhersteller bin, kann ich meinetwegen sehr gute Produkte herstellen und ich bin vielleicht auch Fan, das bedeutet aber nicht zwangsweise, dass ich da unbedingt arbeiten möchte. Jetzt kommt das große Aber: Es ist natürlich trotzdem häufig so, das hat etwas mit dem Thema Reemployer Branding zu tun, dass diese starke Unternehmensbrand abfärbt auf die Employer Brand, weil man vielleicht auch gar nicht genau weiß, wie ist denn dieser Arbeitgeber, aber man unterstellt ihm aber aufgrund dieser Szene, in der sich der Arbeitgeber bewegt, dieser Branche, eine gewisse Coolness, ein gewisses technisches Knowhow, vielleicht auch eine Innovationsspitze und das färbt dann etwas ab. Das Employer Branding ist ja der Prozess.

Wie schaffe ich es eine Employer Brand bei der Zielgruppe im Kopf zu generieren? Da werden aus meiner Sicht auch viele Fehler begangen, dass man dieses Branding zu sehr in dem Sinne sieht „was möchte ich denn sagen?“ und sie kommen dann immer sehr aus dieser eigenbezogenen Perspektive und weniger „was denken denn die Zielgruppen über uns draußen?“, weil es ist ja immer eine Employer Brand in gewissem Rahmen vorhanden. Vielleicht kann ich sie nicht benennen, aber ich habe ja eine gewisse Vorstellung, wenn ich mich bewerbe, wie dieser Arbeitgeber ist, sonst würde ich mich vermutlich nicht bewerben. Das ist zumindest meine Behauptung.

Dominik Josten: In den meisten Fällen. Ist ein absolut richtiger Punkt, die ist irgendwie immer da und das ist ja so ein Grundproblem im Marketing zwischen dem, was man gerne erzählen möchte oder was man findet, was die anderen wissen sollten und dem, was die anderen wirklich hören wollen oder sie interessiert.

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Dominik Josten: Jetzt gehört natürlich zu so einer starken Marke nicht nur ein gutes Marketing, man kann alles erzählen und versuchen in die Köpfe zu bekommen. Du hast eben schon angesprochen, in Zeiten von Kununuu und Vernetzung, kann man es nicht ganz lösen von dem, was wirklich ist. Was wirklich passiert im Alltag, kommt heutzutage sowieso an die Öffentlichkeit. Würdest du sagen zu einer starken Arbeitgebermarke und damit auch zu einer guten Brandinginitiative gehört es auch, nach innen Dinge zu ändern? Grundsätzlich zu sagen „ich muss dafür sorgen, dass ich meine Mitarbeiter in einer gewissen Art und Weise so behandele, dass das dem Markenimage standhält?“?

Stefan Scheller: Also das wäre für mich sogar der Anspruch an jedes Employer Branding, nicht nur das von starken Marken, sondern die starke Marke, da kann man auch drüber diskutieren „was ist eine starke Arbeitgebermarke?“. Ist es das, weil einfach viele Menschen glauben, dass sie wissen wie der Arbeitgeber ist oder ihm unterstellen, dass es da gut ist? Da könnte man ja schon sagen „ist eine starke Arbeitgebermarke“ oder man argumentiert stärker aus diesem Markenbegriff heraus, da müsste ich nämlich sagen „aha, ich weiß, dass Arbeitgeber A oder Arbeitgeber B sich vom X und Y Arbeitgeber unterscheiden, indem sie folgende Werte haben und die anderen haben diese Werte“. Wenn man es mal so sieht, dann glaube ich, dass es fast keine wirklich starken Arbeitgebermarken gibt. Es gibt nur starke Unternehmensmarken, weil ich persönlich selbst bei ganz bekannten Marken nicht sagen könnte und jetzt bin ich sehr nah an der Szene, das nehme ich ganz gerne als Beispiel, wie unterscheidet sich die Arbeitgebermarke von Audi von BMW von Mercedes und Porsche? Ich kann sagen, wie sich die Unternehmensmarke oder die Automobile unterscheiden vom Image, aber ich könnte nicht sagen, welche Werte in diesen Unternehmen so authentisch gelebt werden und vor allem unterscheidbar, also unique, wie man eigentlich im Sinne der Marke das nehmen müsste, das heißt ja unterscheidbar, ich kann es nicht. Folglich versuchen wir wahrscheinlich zu sagen „starke Arbeitgebermarken sind die, die eine Wahrnehmung draußen haben, egal mit welchen Werten man sie letztlich verbindet, sondern sie wirken einfach, weil die Menschen sie attraktiv finden“.

Dominik Josten: Ich würde dem zustimmen, insofern, dass am Ende letztlich die Leute, wenn sie sie attraktiv finden, ist es vielleicht manchmal auch egal warum. Dann hat man ja erstmal aus Brandingsicht seinen Erfolg gehabt, wenn die Leute das Produkt kaufen oder in dem Fall sich bewerben, dann hat man ja schon mal viel richtig gemacht.

Partnerinhalt: YouTube-Kanal unseres Autors Dominik Josten

Employer Branding vs. Personalmarketing, Employer Brand und HR-Marketing

Status Quo – Kann niemand richtig Employer Branding?

Dominik Josten: Die Frage ist natürlich trotzdem, ist das, was du eben beschrieben hast, auch gerade mit den Automobilherstellern, ist das ein spezielles Problem der Tatsache, dass diese Unternehmen alle noch nicht so richtig es geschafft haben sich eine Arbeitgeberbrand aufzubauen oder geht es grundsätzlich nicht? Ich persönlich denke an die Anfangsjahre, bzw. so vor zehn Jahren bei Google, als sie bekannter wurden als Arbeitgeber, da hatte ich schon das Gefühl, dass die unabhängig von der Firma auch als Arbeitgeber sehr viel ausstrahlen. Es wurde ja weltbekannt, die flexiblen Freitage und die Schwimmbäder auf dem Gelände und all solche Sachen, der Google Place in Mountain View. Würdest du das als Arbeitgebermarke, als starke Marke zählen?

Stefan Scheller: Ja, aber du bringst jetzt ein Beispiel von der obersten Spitze. Es geht natürlich und ich glaube aber, das war jetzt die Ausgangsfrage, dass Audi, BMW und Co. auch ohne eine ausdefinierte Employer Brand trotzdem erfolgreich rekrutieren können. Ich sage immer ein bisschen ketzerisch „Employer Branding für mich ist nur Mittel zum Zweck“. Ich brauche keine Employer Brand um eine Employer Brand zu haben, sondern ich muss irgendwo zeigen, warum die Menschen sich bei uns bewerben sollen. Wenn sich die richtigen trotzdem bewerben, dann sage ich „ist doch alles gut“. Dann kann ich natürlich sagen „ich baue mir eine Employer Brand auf“, aber ich kann doch sehr reduziert unterwegs sein, weil das Ziel, auf das das Employer Branding einzahlt, von meiner Warte einzig das Recruiting ist plus die Bindung. Da kommen wir zu dem, was du vorhin gesagt hast, das Innen und Außen ist wichtig. Wenn Employer Branding nur Image im Außen meint, aber nicht gleichzeitig gelebte Welt im Innen, dann habe ich spätestens das Problem, wenn die Menschen zu mir ins Unternehmen kommen oder in Coronazeiten für mich als Arbeitgeber arbeiten, mit mir arbeiten, dann verliere ich die auch wieder.

Employer Branding vs. Recruiting-Prozess

Dominik Josten: Jetzt hast du zurecht gesagt „klar, wer eine richtig starke Unternehmensmarke hat“, jetzt nehmen wir mal die großen Player, die du eben erwähntest, Audi, BMW und so weiter, die überstrahlt dann soweit, dass das vielleicht auch so reicht. Die kriegen auch so die spannendsten Bewerber. Lass uns deswegen vielleicht mal auf die fokussieren, die das gerade nicht haben und die vielleicht sagen „ich bin der kleine Schraubenhersteller in der schwäbischen Alb weitab von irgendeiner interessanten hippen Stadt, mich kennt auch kein Mensch, weil ich bin Zulieferer in dritter Ebene“ und gerade für die ist jetzt die Frage, da braucht man es dann eigentlich schon. Für die würde es sich ja dann durchaus lohnen in irgendeiner Weise ein Profil zu entwickeln, dass sie trotzdem interessant sind für Arbeitnehmer. Müssen sie ja fast, sonst kennt sie ja keiner.

Stefan Scheller: Genau, sie brauchen Sichtbarkeit zumindest. Inwieweit sie ein Profil brauchen, wenn sie eins haben, ist natürlich perfekt, das steigert auch die Wiedererkennung aber manchmal geht es auch mit reiner Sichtbarkeit, auch wenn man sagen kann „so richtig weiß ich noch nicht, was die Werte sind“ und wenn wir schon bei dem Thema sind, auch eine Employer Brand ist ja immer eine Verallgemeinerung. Ich würde niemals behaupten, dass in jedem Team, in jeder Abteilung, in jedem Bereich genau diese Werte jeden Tag zu 100 Prozent gelebt werden. Allein das Versprechen „so sind wir“, wird immer schwieriger, je größer so ein Unternehmen ist. Das ist immer ein Kompromiss. Von daher glaube ich auch, man darf das Thema nicht zu hoch hängen und die kleineren Unternehmen tun schon mal gut daran, wenn sie in eine markenähnliche Sichtbarkeit kommen, nennen wir es mal so.

Fachkräftemangel eigentlich ein Employer Branding Mangel?

Dominik Josten: Wie ist denn dein Eindruck allgemein dazu, du kriegst ja über dein Portal auch massenhaft Studien, Gastbeiträge, Interviews, alles Mögliche, sind diese kleineren Unternehmen da ganz passabel aufgestellt oder woher kommen letztlich auch diese Rufe nach dem Fachkräftemangel, wenn es ihn eigentlich so stark gar nicht gibt, ist es vielleicht eben doch auch ein Teil des Problems, dass sie zu wenig für ihre Sichtbarkeit oder auch ihre Attraktivität tun?


Stefan Scheller: Da habe ich auch eine ganz klare Erfahrung gemacht. Wir, die wir in größeren Unternehmen sitzen, haben theoretisch für alles Spezialisten. Es gibt ein explizites Recruiting. In kleineren Unternehmen gibt es einen Personaler oder eine Personalerin und die macht Personalarbeit, d. h. die macht Verträge, sie berät, sie muss sich um Gesundheitsthemen kümmern, die ist mit dem Betriebsrat, wenn es einen gibt, im Gespräch und die machen dann auch Recruiting. Aber die würde ja nicht sagen „ich bin Recruiterin“. Wenn man jetzt kommt und redet über Employer Branding, dann schalten die meisten schon irgendwie ab, weil die sagen „wie soll ich denn noch Employer Branding machen?“. Man muss wissen, die Personaler sind per se eher der Bereich, der nicht unbedingt mit vielen Ressourcen ausgestattet ist, die immer kurz auf knapp sind, die sehr viel in kurzer Zeit prozessual erledigen müssen. Die sind gar nicht gewohnt in diesen strategischen Prozessen gut zu sein. Employer Branding ist in erster Linie ja ein strategisches Anliegen. Ich kann ja nicht sagen „jetzt machen wir die Employer Brand, die rollen wir aus, dann ist die da“. Dann muss ich halt dran bleiben. Da fehlt es am Knowhow und an den Ressourcen gleichermaßen bei den Kleinen. Insofern werden die auch, wenn man die auf Employer Branding anspricht, erstmal vielleicht auch gar nicht verstehen, was wir da meinen und warum sie das tun sollten.


Dominik Josten: Das ist ja ein gutes Stichwort, warum sie es tun sollten. Im Prinzip ist es ja wie mit jeder Investition, ich finde es immer schade, dass im HR immer so argumentiert wird. Wenn der Ertrag hinten raus sich lohnt, dann kann man ja auch vorne mehr investieren, entweder einen externen Berater oder intern jemanden einstellen, der das Thema Employer Branding ein bisschen pusht. Hast du da Ideen oder Tipps wie man vielleicht so einer Geschäftsführung auch mal klarmacht oder für sich selber versucht zu beantworten und dann ggf. klarmacht, was der Mehrwert sein könnte oder wann man so Probleme hat, dass es sich auf jeden Fall lohnt? Ich erinnere mich an eine Anekdote aus meinem ersten Job, da haben wir Ultraschallentwickler, Prüfkopfentwickler gesucht, also so ein ganz spezielles Segment für Ultraschallingenieure, da gibt es gefühlt zwei Handvoll in Deutschland und die wirbt man sich gegenseitig ab, d. h. wenn man da so niemanden findet, dann ist vielleicht Not am Mann. Zurück zur Frage: Hast du da Ideen, Tipps, wie bewertet man für sich, ob es sich vielleicht lohnen würde da eine Teilzeitkraft einzustellen und dann auch die GF davon zu überzeugen, das freizugeben?


Stefan Scheller: Ich glaube, wenn man diese Überlegungen hat, dann sollte man nicht im Employer Branding anfangen als kleines Unternehmen. Warum? Weil dieser Erfolgszusammenhang zwischen einem Brandaufbau, der hat ja noch keine direkte 1-1-Beziehung wie im Recruiting beispielsweise. Einem Return on Investment, wie viele Menschen haben wir dadurch gewonnen, der ist nicht immer ganz leicht durchzuführen. Natürlich kann ich sagen, ich mache eine online Kampagne und messe das alles genau und hinterher gucke ich, welche Personen aufgrund der Kampagne gekommen sind. Das kann ich digital alles wunderbar machen. Für mich hat das aber noch nichts mit Employer Branding zu tun, sondern das ist eigentlich eher ausgefeilte Recruiting Kampagne in dem Sinne. Zweiter Punkt, der mir dazu noch einfällt, warum nicht gleich Employer Branding: Ich kann natürlich sehr viele Menschen auf diesen strategischen Kanal Employer Branding erstmal draufsetzen und vielleicht mit einer Agentur zusammen etwas machen, auch Ressourcen in die Hand nehmen, dann muss ich mir aber sicher sein, dass nicht zwischendrin ein Gap im Recruiting entsteht, sozusagen der klassische, breit aufgestellte Personaler / Personalerin auf der einen Seite und ein Employer Branding Spezialist, da wäre es doch erstmal wichtig zu sagen „wie läuft denn der Recruiting Prozess weiter?“. Wenn ich die Highend-Kampagne habe und dann aber keiner ein gutes Recruiting macht, weil das auch untergeht, weil vielleicht keiner Zeit für die BewerberInnen hat oder nicht nach irgendwelchen modernen Verfahren die Auswahl macht, sondern mit irgendwie so einer 80er Jahre Diagnostik um die Ecke kommt, dann hilft mir das Employer Branding nichts. Ich würde es immer von unten her aufbauen und sagen „lasst uns erstmal die Hausaufgaben machen und da solide unterwegs sein, einen guten Recruitingprozess“ und wenn das alles funktioniert und sogar erfolgreich ist, sprich da bewerben sich welche und die sagen vielleicht was auf Kununu, dann bin ich eigentlich schon im Employer Branding mittendrin, dann habe ich schon die ersten Schritte gemacht.


Dominik Josten: Guter Punkt. Das, was du gerade meintest mit dem schlechten Recruiting, dann haben wir ja auch bei Digitalisierungs- oder Softwareprojekten, dass irgendwie eine neue Recruiting-Software oder ein moderner Recruiting-Auftritt nach draußen der bringt halt überhaupt nichts, wenn dann im Prinzip das Interview eine Katastrophe ist oder eine desinteressierte Führungskraft gegenübersitzt, die dann das erste Mal in den Lebenslauf guckt, wenn der Kandidat irgendwie da ist.

Tipps fürs Employer Branding

Dominik Josten: Dann lass uns aber doch mal vielleicht darauf aufbauen. Wir haben jetzt schon die Spitze abgehandelt und die, die ganz rudimentär am Anfang stehen, die erstmal ihr Recruiting aufbauen müssen. Dann nehmen wir doch mal den Pfad dazwischen. Das Recruiting läuft alles und im Großen und Ganzen sind die Mitarbeiter soweit zufrieden, also es beschwert sich jetzt niemand bei Kununu groß, aber trotzdem hat man Schwierigkeiten, den Leuten ein Argument zu geben, warum man eben bei „Schrauben Müller“ arbeiten sollte und eben nicht beim 40 km entfernten Mercedes, was vielleicht cooler ist im ersten Moment. Was würdest du sagen, hast du da vielleicht Ideen, Tipps, wie kann man auffallen, was ist aber auch Mindestlevel, was man heute bieten muss an Information, an Transparenz vielleicht auch, um nicht negativ aufzufallen?


Stefan Scheller: Ich würde tatsächlich auch da erstmal wieder sagen, das Thema „wie können wir auffallen?“ darf uns gar nicht erstmal bestimmend sein für das, was wir tun, weil dann machen wir etwas, was laut ist, was schrill ist, was vielleicht über eine Agentur irgendwie ein bisschen crazy kommt, was aber gar nicht zu meinen eigenen Marken, zu den Werten passt. Ich glaube auch hier gilt es wieder von innen nach außen zu denken, denn es gibt ja schon Menschen, die einen Arbeitgeber für gut befinden, die da arbeiten, die vielleicht auch länger da arbeiten und aus meiner Sicht wäre der Ansatzpunkt die zu aktivieren, über den Arbeitgeber in der Öffentlichkeit zu sprechen. Also über Social Media quasi. Oder die in Stories auf Instagram am Tag mal unterwegs sind und man begleitet die. Also Sprachfähigkeit aus dem Unternehmen heraus, weil da brauche ich noch gar nicht groß irgendwelche Highend-Produkte bei Agenturen bestellen im Employer Branding, sondern ich habe ganz viel Kraft für das Employer Branding schon bei mir sitzen, nämlich die Menschen, die schon für mich als Arbeitgeber arbeiten.


Dominik Josten: Für viele Kandidaten ist ja nüchternerweise der erste Kontaktpunkt mit dem potenziellen Arbeitgeber neben der Stellenausschreibung so eine Art Karriereseite oder so eine „wie ist es bei uns als Mitarbeiter“-Seite. Dementsprechend habe ich gerade herausgehört, würdest du schon sehr dafür plädieren die auch durchaus umfangreich mit vielen internen authentischen, aber wahrscheinlich Testimonials, Statements oder so aufzufüllen? Es ist vielleicht nicht jeder, wenn wir wieder bei unserem „Schrauben Müller“ bleiben, Mid-40er, Mid-50er der große Instagram-Fan, dass er da jetzt groß anfängt zu posten. Aber so eine gute Karriereseite wärst du schon auch dafür, das lohnt sich auf jeden Fall oder auch eher kritisch?


Stefan Scheller: Nein, auf jeden Fall. Ich bin ja immer großer Freund von „owned media“, also Portalen, die man selber im Zugriff hat. Nur unterwegs zu sein, wie du sagst Instagram, da habe ich halt eine spezielle Zielgruppe, man muss immer den gesamten Medienmix sehen. Für SchülerInnen kommst du an Instagram, Snapchat, TikTok und Co. wahrscheinlich kaum vorbei. Für andere Zielgruppen brauchst du andere Kanäle, die du quasi draußen spielst. So musst du dir halt überlegen, welche Rolle diese Karriereseite in diesem Gefüge hat. In der Regel dient sie als Landing Page, d. h. ich bringe meine authentischen Teaser, meine Geschichten vielleicht auch im Rahmen von Storytelling in Social Media zum Einsatz und versuche dann immer den Traffic überzuleiten auf die allgemeine Karriereseite. Jetzt muss die aber nicht Farblosigkeit pur sein, sondern die muss auch irgendwie anknüpfen. Ich muss da bestenfalls die Menschen, die in Social Media unterwegs sind, irgendwo entdecken können. Sei es auf Fotos, sei es mit Statements o. ä. Ich kann über Communities, die es im Unternehmen gibt, über Sportgruppen, die sich da gefunden haben und dann zeige ich halt, wie die zusammen laufen und ich erkenne ein Gesicht wieder, da sage ich „hey, das ist doch der X oder die Y, die habe ich doch schon in der Kampagne gesehen“. Eine Brand heute charakterisiert eben nicht mehr ein Unternehmen an sich, sondern die Menschen sehen Menschen. Wenn ich heute ein Video über jemanden sehe, sage ich „hey, die finde ich total cool die Person, scheint ein total cooler Arbeitgeber zu sein“, dann gehe ich wegen dieser Person auf diese Karriereseite. Dann muss ich dort irgendwo gefühlt auch abgeholt werden von Personen und nicht nur auf Gebäudefotos und Beschreibungen, wie wichtig man in der Weltwirtschaft ist. Das interessiert an der Stelle keinen.


Dominik Josten: Das ist ein guter Punkt. Gibt es so ein paar typische Fehler, die viele tun, ich glaube du hast gerade schon mal angesprochen, „wir sind der Weltmarktführer, wir sind die tollsten und wir sind die Superhengste und wir haben 40 Standorte weltweit“ und es ist kein einziger Mensch oder noch schlimmer irgendwelche Stockphoto-Models zu sehen. Gibt es weitere Themen, wo du sagst „hey, bitte nicht“, vielleicht mal für diejenigen, die gerade so denken „Karriereseite habe ich, Social Media mache ich auch, bin ja gut aufgestellt“ und es gedanklich schon abhaken. Hast du vielleicht eine kleine Checkliste, „guckt mal, ob ihr das auf eurer Seite auch gemacht habt?“.


Stefan Scheller: Was ich ganz wichtig finde, so eine Checkliste, das kann man sicherlich, wenn man jetzt drüber nachdenkt, zusammenbauen, aber was mir sofort einfällt, ist, am langen Ende muss ich das Ganze auch zum Konvertieren bringen, sprich ich brauche eine Bewerbung. Sich dann am Ende zu sehr zu verkünsteln, dass die Leute ewig lange immer wieder Videos angucken, aber ich finde den Bogen nicht „wo kann ich mich jetzt bewerben? Gibt es genügend ausgeschriebene Stellen?“, das wäre auch fatal. Das erlebt man aber tatsächlich ganz oft, dass es dann gar nicht klar ist „wie komme ich denn jetzt zum Stellenmarkt oder zur Börse?“ und es gibt da keine direkte prozessuale Verknüpfung oder die stürzen gerade ab oder sind nicht aktuell gepflegt, gerade bei kleineren Unternehmen, die vielleicht ihre Stellen auf der eigenen Seite haben. Da wird wieder viel Porzellan zerschlagen, weil es nicht direkt anknüpfungsfähig ist an die Konvertierung im Recruiting.

Dominik Josten: Das ist ein Klassiker. Die ausgeschriebenen Stellen sind längst besetzt.

Stefan Scheller: Das kommt leider viel zu oft vor, das glaubt man gar nicht.

Dominik Josten: Es ist vor allem sehr frustrierend. Noch eine kleine Frage, wie stehst du dazu, Thema Kommunikation im HR. Ich erlebe es im privaten Umfeld viel, dass sich die Leute bewerben auf eine Stelle, keine Rückmeldung bekommen, aber jede Woche wird die Stelle neu ausgeschrieben über Wochen und Monate. Vielleicht oft ein Automatismus, da muss gar kein Mensch überhaupt hinter stehen, aber wie stehst du dazu oder was würdest du da raten, wie geht man da am besten mit um?

Stefan Scheller: Meinst du wie man damit als Unternehmen umgeht?

Dominik Josten: Ja, entweder muss man dann klare Entscheidungen treffen. Ich verstehe es auch nicht. Viele antworten ja nicht, weiß ich auch nicht warum, verstehe ich immer nicht. Wenigstens eine Eingangsbestätigung könnte man ja mal schicken oder im Zweifel auch eine Absage. Aber manche Unternehmen halten alle Bewerber, egal wie schlecht sie sie finden offen, bis sie dann bei irgendwem einen Vertrag unterschrieben haben. Ich persönlich glaube das frustriert Bewerber mehr als es in irgendeiner Weise nutzt.

Stefan Scheller: Das ist ja auch einer der Hauptpunkte, wenn es so Befragungen gibt, was quasi an Unternehmen stört im Recruiting oder was HR falsch macht, dann sind die Antwortzeiten oder Nicht-Antworten immer ganz weit oben und diese Quote, die ist so exorbitant hoch. Ich kann mir das nur so erklären, dass auf der einen Seite das Mindset nicht stimmt. Wenn ich mit Menschen in Kontakt trete, mir gehen auch manchmal irgendwelche Nachrichten unter, das muss ich ehrlich zugeben, aber wenn ich das erkenne als Unternehmen und sage „Mensch, da ist uns schon wieder etwas durchgerutscht, da hätten wir Antwort geben sollen“, dann muss ich drüber nachdenken, welche Mechanismen ich nutzen kann, sprich welche Software. Eine Eingangsbestätigung, das klingt zwar immer ein bisschen blöd, aber ich kann die ja trotzdem automatisieren, damit man das sichere Gefühl hat „die Daten sind angekommen“. Wenn man weiß „okay, vielen Dank, die Übertragung hat geklappt und wir sind jetzt dran“, ist doch schon mal ein erster guter Eindruck, auch wenn er von einer Maschine kommt oder automatisiert ist. So eine Software hat einen zweiten Vorteil, wenn ich sie anwende, ich kann mir ja Wiedervorlagen machen oder es gibt so Bearbeitungstracker, die sagen „naja, wenn hier irgendwie eine Kommunikation im Prozess eine gewisse Zeit ruht, dann kriege ich eine Erinnerung“. Ich glaube, dass es zwischen diesen beiden Dingen, Mindset, man will eigentlich gar nicht und beim anderen, man verbuchselt es im Tagesgeschäft, weil einfach zu viel zu tun ist, dass man da relativ viele Stellschrauben hat, dass zumindest das Stichwort Antwortzeit eigentlich heute kein Thema mehr sein sollte.

Dominik Josten: „Hätte, hätte, Fahrradkette…“.

Stefan Scheller: Du weißt, was ich sagen möchte. Ich kann es nachvollziehen, warum es so ist, aber mit Blick darauf und das ist wieder mit dem Fachkräftemangel, wenn ich solche Dinge tue und hinterher sage „ich beschwere mich, dass sich keiner bewirbt“, dann muss ich irgendwann auch sagen „schaut bitte erstmal auf euch selbst liebe Unternehmen und guckt, welches Entree, welche Möglichkeiten bietet ihr denn den BewerberInnen und welche Augenhöhe zeigt ihr tatsächlich, welches Interesse?“. Das muss sich an den Prozessen, die dann quasi ablaufen, auch irgendwie widerspiegeln.

Zusammenfassung

Dominik Josten: Du, jetzt schaue ich gerade auf die Zeit und wir haben schon eine halbe Stunde gequatscht. Wir haben schon einen guten Überflug gemacht und ich versuche mal so zusammenzufassen, was du gesagt hast und was ich absolut nachvollziehen kann.

Beim Thema Employer Branding ist die erste Frage, die man sich überhaupt erstmal stellen muss „brauche ich da wirklich etwas zu tun? Ist meine Unternehmensmarke nicht vielleicht stark genug, dass das im Endergebnis auch so funktioniert?“. Sicherlich valide, nicht alles muss man unbedingt stemmen, wenn man es nicht zwingend braucht. Wenn man es dann aber braucht oder gebrauchen könnte, habe ich von dir auch mitgenommen, würdest du auch eher von innen anfangen, erstmal einen attraktiven Platz zum Arbeiten zu schaffen, dass die Leute intern zufrieden und glücklich sind und auch der Recruitingprozess stimmt und erst wenn das gegeben ist und man da schon überall top ist, dann vielleicht langsam zu gucken „kann man noch mehr rausholen oder vielleicht noch ein bisschen mehr Bewerber anziehen, wenn man ein paar gezielte Employer Branding Maßnahmen macht“.

Die wiederum sollten dann ganz klar menschenfokussiert sein, also authentische, interne Kollegen, die auf Social Media unterwegs sind, sich auf der Karriereseite wiederfinden, da vielleicht als Testimonials, einfach das Gefühl geben „ich bin dein neuer Kollege und mich kannst du hier quasi treffen“ und es müssen auf jeden Fall echte Leute sein. Aber auch nicht so weit übertreiben, dass die Bewerber die Karriereseite als Alternative zu YouTube begreifen und da stundenlang rumsurfen und dann am Ende denken „war ein unterhaltsamer Nachmittag“, aber auf Stellen haben sie sich trotzdem nicht beworben.

Schon auch dran denken, ja Information immer gut und wichtig und auch im Zweifel ruhig zu viel als zu wenig, aber immer mit der Möglichkeit, dass die Leute abspringen können, weil sie sagen „ich bin jetzt schon überzeugt, ich will mich jetzt bewerben, was gibt es denn hier?“ und da dann aktuell zu sein, weil es gibt nicht viel Frustrierenderes oder Sinnloseres als Aufwand zu betreiben, jemanden zu überzeugen sich zu bewerben, nur um ihm dann sofort abzusagen „sorry, die Stelle ist schon besetzt, wir haben es nicht geschafft unsere Website zu pflegen“. Ist dann natürlich auch nicht schön.

Würdest du das so als Zusammenfassung unterschreiben?

Stefan Scheller: Super, ganz perfekt.

Stefan über Clubhouse & Co

Dominik Josten: Bevor wir Schluss machen, jetzt muss ich doch nochmal aus Neugier fragen, du bist ja mit „Persoblogger“ immer auch ganz vorne mit dabei bei neuen Themen, Stichwort Clubhouse etc.

Wo geht es als nächstes vielleicht noch hin, was hast du noch vor, was du schon verraten kannst als neue HR-Austauschthemen?

Stefan Scheller: Ich habe relativ schnell da angedockt, weil ich auch gefühlt habe, dass da etwas bei rauskommt, dass die Szene das erkennen wird, um was wir hier reden. Eine neue Art der Direktkommunikation, niedrigschwellig, hoch anknüpfungsfähig, dass man mit Fremden in Kontakt kommt und nicht mehr in seiner eigenen Bubble bleiben muss.

Was kommt als nächstes für HR? Ich glaube, dass wir sehr stark drauf gucken müssen jetzt nicht wie die Wilden von einem Hütchen zum nächsten zu rennen und zu sagen „jetzt macht Twitter das auch, jetzt macht Facebook das“ und da gibt es am Horizont schon weitere Social Networks. Wenn wir es ganz zurück auf Anfang drehen und uns fragen „was wollen wir denn eigentlich erreichen?“ und diese Grundsätze im Marketing „welche Zielgruppen brauchen wir? Wo sind die unterwegs?“, dann werden wir sehr schnell merken, dass die entweder auf Instagram sind oder stark auf TikTok oder auf Facebook, falls es das tatsächlich so noch gibt in dem Sinne, oder in Clubhouse.

Natürlich kann man sagen, man versucht alles zu bedienen. Ich merke das aber selber, es tut nicht gut und man verkrampft sich und man muss dann wieder sehr viel Fokus aufnehmen und sagen „was will ich eigentlich als Arbeitgeber?“ oder bei mir „was will ich in meiner Rolle als Persoblogger, wo möchte ich da hin?“, sodass ich tatsächlich auch das Thema Clubhouse fast wieder ein bisschen reduziert habe. Ich habe am Anfang mal getestet, wie ist es, wenn du wöchentlich sowas machst als Verlängerung meines Podcasts Klartext-HR und ich merke halt „da macht man sich ganz viel Druck“. Ich will ja immer verlängern, das bedeutet ja, wenn ich es wöchentlich mache, müsste ich ja fast wöchentlich einen Podcast machen, der sonst zweiwöchentlich oder mal monatlich auch nur war. Man kann sich da übertakten und seien wir ehrlich, was bleibt am Ende dauerhaft übrig von einem Clubhouse, wir reden hier über nicht mal ein Prozent der Menschen, die überhaupt von Clubhouse was gehört haben oder da dabei sein können, Stand heute. Es bleibt wenig übrig, die Nachhaltigkeit.

Deswegen lieber auf die eigene owned media konzentrieren und sagen „mach irgendwas, was auf die eigene Marke einzahlt“, was vor allem aber auch einen langfristigen Mehrwert für die Nutzer der Seite bringt. Das ist das eigentlich Wichtige. Da kannst du hier in ein Medium gehen und da noch 12 Leute erreichen und hier nochmal 50, am langen Ende ist es das aber nicht, sondern du musst wirklich schauen „was ist das, was die Kernleistung ist für die anderen?“. Wofür stehst du und dann stehe ich weder für den Podcast, den mache ich zusätzlich. Dann stehe ich weder für das Clubhouse, das ist zusätzlich. Sondern bei mir dreht sich alles um dieses Portal und wenn du dorthin gehst, sollst du den Mehrwert haben.

Dominik Josten: Ich glaube das ist ein schönes Schlusswort, weil das gilt für das Employer Branding genauso, also vielleicht nicht alles machen, aber dafür das, was man macht, lieber richtig gut. Und bei „richtig gut“ sind wir bei deinem Portal, ich glaube zwar nicht, dass irgendwer es nicht kennt, aber wer nicht, ich würde dem mal einen Besuch abstatten. Wirklich sehr informativ, sehr schöner Überblick über alles, was im HR relevant ist. Studien, Podcast, Blogs, Meinungen, Events. Stefan, das war ein sehr interessanter Austausch und ich finde es gut und richtig, dass du da auch nicht jeden Hypetrain sozusagen befeuern willst, sondern durchaus reflektiert draufguckst. Ich glaube das macht dich aus, macht dein Portal aus, über all die acht Jahre, die du es jetzt aufgebaut hast. Von daher: Hat mich sehr gefreut, dass wir uns hier mal austauschen konnten. Ich wünsche dir viel Erfolg mit all diesen Dingen, die du da machst. Ich werde dich eher nicht so schnell bei Clubhouse besuchen, ich warte ein bisschen länger ab, aber ich finde es gut, irgendwann muss man es ja mal ausprobieren. Finde ich super, dass du Spaß an sowas hast. Vielen Dank, schönen Nachmittag.

Stefan Scheller: Danke, dir auch. Ciao.