So vergraulen Sie potenzielle Bewerberinnen und Bewerber
Von Iris Seithel · 5 Minuten Lesezeit
Vermeiden Sie typische Fehler auf der eigenen Karriereseite, damit potenzielle Bewerberinnen und Bewerber nicht die Flucht ergreifen.
Egal ob Sie im Moment frisch verliebt sind, langjährig gebunden oder derzeit auf der Suche nach einer neuen Partnerschaft, ich bin sicher Sie kennen diese Situation ganz genau: man lernt jemanden kennen, findet den- oder diejenige interessant und möchte ihn oder sie besser kennen lernen um zu prüfen, wie gut man zusammenpasst. Nichts anderes passiert zu Beginn eines Bewerbungsprozesses. Das Talent nimmt Ihr Unternehmen war und möchte es besser kennen lernen um zu klären, wie kompatibel man ist als Arbeitgeber und Arbeitnehmer*in. Während man bei potenziellen Partnern bzw. Partnerinnen vielleicht erstmal Facebook, Instagram oder das Profil auf der Dating-Plattform checken kann, landet das Talent in den meisten Fällen auf Ihrer Karriereseite.
Untersuchungen zeigen, dass die Karriereseite immer noch der mit Abstand am meisten genutzte Kanal für die Informationssuche von Kandidatinnen und Kandidaten über potenzielle Arbeitgeber ist. Im privaten wie im beruflichen Leben sind wir uns, denke ich, einig: in dieser ersten Kennenlernphase möchte man sich von seiner besten Seite präsentieren: Vorzüge hervorheben, aber möglichst authentisch bleiben. Wenn man sich allerdings die Karriereseiten zahlreicher Unternehmen ansieht, hat man nicht den Eindruck, dass sich hier jemand möglichst vorteilhaft präsentieren möchte. Daher finden Sie im Folgenden die 5 größten Fehler, die Sie auf Ihrer Karriereseite machen können und Ideen um diese zu vermeiden.
Die Karriereseite existiert nicht oder ist für Kandidaten nicht auffindbar
Verwunderlich aber wahr: es gibt immer noch Unternehmen, die über keine eigene Karriereseite verfügen. Es werden höchstens irgendwo auf der Unternehmenswebsite die offenen Stellen veröffentlicht und das war's. Als ich dies zum ersten Mal gehört habe, konnte ich es nicht glauben. Aber es stimmt: es wird davon ausgegangen, dass ca. 20 Prozent der Unternehmen keine eigene Karriereseite haben. Wenn Sie zu dieser Gruppe an Unternehmen gehören, fragen Sie sich bitte: wie gut finden Sie KandidatInnen für Ihre offenen Stellen? Und sind diese von gewünschter Qualität? Ist das nicht der Fall würde ich Ihnen dringend raten, sich um eine eigene Karriereseite zu kümmern.
Wenn 20 Prozent der Unternehmen in Deutschland nun keine Karriereseite haben, gibt es auf der anderen Seite immer noch eine Menge Unternehmen, die sehr wohl über eine Karriereseite verfügen. Diese sind jedoch oft nicht auffindbar. Dazu kann ich nun keine Zahlen liefern, diese Beobachtungen basieren aber auf eigenen Erfahrungen. Versetzen wir uns einmal in einen Kandidaten, der in irgendeiner Weise auf Ihr Unternehmen aufmerksam geworden ist und nun mehr über die Karrieremöglichkeiten bei Ihnen erfahren möchte. In den meisten Fällen wählt er dazu zwei Einstiegsarten: entweder er googelt nach Ihrem Unternehmen oder er geht direkt auf die Unternehmenswebsite um von dort in den Karrierebereich abzuspringen.
Das Problem ist nun häufig, dass dieser Karrierebereich kaum zu finden ist! Anstelle eines prominenten Hauptmenüpunkts "Karriere" in der Menüführung der Seite, verstecken zahlreiche Unternehmen den Karrierebereich irgendwo unter den Unternehmensinformationen. Oder sie treten den Bereich quasi mit Füßen und widmen dem Punkt lediglich eine kleine Erscheinung in der Fußzeile der Unternehmenswebsite. Man könnte gerade meinen, Unternehmen möchten prüfen, wer Ihre Karriereseite überhaupt findet. Quasi als erste Vorselektion der KandidatInnen. Nun meine Frage: können Sie als Unternehmen es sich leisten, dass Karriere als Randnotiz wahrgenommen wird? Wohl kaum. Also platzieren Sie Ihre Karriereseite bitte gut auffindbar.
Das gilt übrigens auch für die Suche über Google. Wenn jemand dort Ihren Unternehmensnamen oder Jobs eingibt sollte Ihre Karriereseite ganz oben erscheinen. Probieren Sie es doch einfach gleich mal aus. Wenn das nicht der Fall sein sollte, wird es höchste Zeit sich mit dem Thema Suchmaschinenoptimierung zu beschäftigen.
Können Sie als Unternehmen es sich leisten, dass Karriere als Randnotiz wahrgenommen wird? Wohl kaum. Also platzieren Sie ihre Karriereseite bitte gut auffindbar.
Iris Seithel
Es werden keine Zielgruppen definiert und explizit angesprochen
Liest man Ratgeber, Blogs oder Fachbeiträge zum Thema Personalmarketing wird häufig von „den BewerberInnen“ oder „den KandidatInnen“ gesprochen. Und so wird es auch auf den Karriereseiten gelebt. Es gibt das Unternehmen auf der einen Seite, das Informationen für seine BewerberInnen auf der anderen Seite zur Verfügung stellt. Das ist ein fataler Fehler. Es gibt nämlich nicht „die BewerberInnen“. Es gibt den jungen Schulabsolventen, der unschlüssig ist welchen Weg er nach seinem Abschluss einschlagen soll, es gibt die Uni-Absolventin, die endlich durchstarten will um ihre Karriere zu pushen, es gibt die gestandene Fach- oder Führungskraft, die sich beruflich verwirklichen will. Darüber hinaus prallen in aller Regel auch noch Personen verschiedener Fachrichtungen aufeinander. IT`ler meets Finanzbuchhalterin und Einkäuferin trifft auf Produktionsmitarbeiter. Zu denken man könnte diese Gruppen in gleicher Weise ansprechen und damit auch erreichen ist ein großer Fehler. Trotzdem wird das auf den meisten Karriereseiten heute noch so gelebt.
Daher der Rat: Überlegen Sie sich genau, welche Zielgruppen für Sie besonders relevant sind und definieren dann, was diesen Gruppen besonders wichtig ist. Sprechen Sie doch einfach mit VertreterInnen dieser Zielgruppen im eigenen Unternehmen. Das hilft ungemein die Sichtweise zu verstehen und sich klar zu machen: Was wollen diese Zielgruppen und vor allem wie und in welcher „Sprache“ erreiche ich Sie am besten. Wenn Sie das herausgefunden haben, müssen Sie es „nur“ noch auf die Karriereseite übertragen.
Bilder und Texte sind austauschbar und spiegeln nicht das Unternehmen wider
Sätze wie „Wir suchen Teamplayer“ oder „Unsere Mitarbeitenden sind unser wertvollstes Gut“ kommen Ihnen bekannt vor? Nicht ohne Grund, sind sie doch auf zahlreichen Karriereseiten deutschlandweit zu finden. Was sagt das über Sie oder Ihr Unternehmen aus? Im schlimmsten Fall, dass Sie wenig kreativ sind, im besten Fall einfach gar nichts. Weil es auf jeder x-beliebigen Karriereseite so oder so ähnlich zu finden ist. Das gilt übrigens nicht nur für Texte, auch Bilder sind häufig von dieser Austauschbarkeit betroffen. Greift ein Personalmarketing-Verantwortlicher auf gekaufte Bilder zurück sind es meistens dieselben Bibliotheken, aus denen sich alle bedienen. Das fällt vielleicht nicht direkt auf, aber unterbewusst nehmen die Talente sicherlich wahr, ob sie Menschen vor gestelltem Hintergrund oder in ihrer natürlichen Arbeitsumgebung sehen. Ganz klar: Individuelle Texte und Bilder oder Videos aus der eigenen Firma sind Aufwand. Außerdem gib es gerade bei Bildmaterial in Punkto Datenschutz und was passiert, wenn eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter austritt, einiges zu beachten. Trotzdem behaupte ich: Die Mühe lohnt sich. Durch individuelle Texte und Bilder können Sie ihr eigenes Unternehmen präsentieren und positionieren und sich hervorheben aus sämtlichen austauschbaren Karriereseiten. Das schafft Authentizität. Und wenn Bewerbende das Gefühl haben, sie präsentieren sich authentisch, wächst das Vertrauen in Sie als Arbeitgeber. Und das wiederum ist ein extrem wichtiger Grundstein für die Gewinnung neuer Mitarbeitenden.
Kandidaten ist nicht klar, weshalb sie sich genau hier bewerben sollen
„Tue Gutes und sprich darüber.“ Woran zahlreiche Menschen im beruflichen und privaten Umfeld scheitern, ist auch für viele Unternehmen schwierig. Sie geben zu wenige Informationen auf der Karriereseite preis, weshalb gerade sie ein toller Arbeitgeber sind. Tatsächlich kann ich von einer Situation berichten, in der ich mit einem Unternehmen über die eigene Karriereseite gesprochen haben. Dieses Unternehmen ist extrem familienfreundlich und tut einiges dafür, dass Beruf und Familie sehr gut vereinbar sind für die eigenen Mitarbeitenden. Darüber war auf der Karriereseite allerdings kein Wort zu lesen. Darauf angesprochen sagte der Geschäftsführer zu mir: „Das ist doch selbstverständlich, dass wir das machen, das braucht man nicht erwähnen.“ Großer Fehler, denn es war eben nicht selbstverständlich, sondern ein besonderer Benefit für die Mitarbeitenden. Für zukünftige Bewerberinnen und Bewerber blieb das allerdings ein Geheimnis.
Unternehmen sollten sich also sehr genau überlegen, welche Vorteile, Alleinstellungsmerkmale und Benefits Sie bieten und diese prominent und gut beschrieben auf der Karriereseite platzieren. Aber Vorsicht: Bitte übertreiben Sie es nicht! Zum einen sollten Sie das Thema Eigenlob nicht überspannen, ansonsten hört es sich eventuell eingebildet und selbstverliebt an. Zum anderen sollten Sie bei der Wahrheit bleiben. Versprechen Sie also nichts auf der Karriereseite, was Sie nicht halten können. Wenn Sie eben keine hippe Start-up Mentalität haben, dann haben Sie diese nicht. Mit einem solchen Bild nach außen ziehen Sie aber die BewerberInnen an, die so etwas suchen. Wenn der Schwindel nicht während des Bewerbungsprozesses schon auffliegt, dann spätestens nach den ersten Arbeitswochen. Wenn der neue Mitarbeiter bzw. die neue Mitarbeiterin dann nicht zufrieden ist und das Unternehmen zeitnah verlässt, haben Sie nichts gewonnen, sondern starten den teuren und zeitaufwendigen Recruiting-Prozess von Neuem.
Gibt es keine passende Stelle, können Kandidaten nicht mit Ihnen in Kontakt bleiben
Haben potenzieller BewerberInnen auf Ihre Karriereseite gefunden, haben Sie schon viele Hürden genommen. Die Bewerbenden kennen Sie, haben Sie als potenziellen Arbeitgeber wahrgenommen und finden die Vorstellung, für Sie zu arbeiten, nicht komplett abwegig. Das ist schon mal viel Wert. Was passiert allerdings mit den Talenten, wenn sie sich zwar für Sie als Arbeitgeber interessieren, aber keine passende Stelle finden bei Ihnen? Die Aufgaben gefallen nicht oder es ist im Moment kein passender Standort dabei. Dann verlassen sie die Seite wieder und Sie haben die Talente erstmal verloren. Das wäre ein großer Fehler. Daher brauchen Sie auf Ihrer Karriereseite eine Möglichkeit, mit Kandidatinnen und Kandidaten in Verbindung zu bleiben. Mindestanforderung hier wäre ein sogenannter Job Agent, bei dem Talente ihre Interessengebiete angeben können und dann automatisch per Mail informiert werden, sobald eine neue Stelle ausgeschrieben wird. Besser wäre allerdings eine Art Talentpool an KandidatInnen, die etwas mehr als ihre Mailadresse angeben. So haben Sie Daten, auf Basis derer Sie gezielt bestimmte Gruppen an BewerberInnen ansprechen können. Wenn Sie also ITler suchen, können Sie gezielte Mailkampagnen an diese Zielgruppe senden und beispielsweise auf Messen und Veranstaltungen aufmerksam machen, bei denen Sie vertreten sind. So können Sie über einen längeren Zeitraum mit Kandidatinnen und Kandidaten in Kontakt bleiben und sich immer wieder ins Gedächtnis rufen. Bitte denken Sie dabei aber daran, sich datenschutzrechtlich abzusichern und den Talenten die Möglichkeit zu geben, sich aus dieser Datenbank wieder zu löschen.
Na, haben Sie nun Lust bekommen, sich um Ihre Karriereseite zu kümmern und mit Ihren Bewerbenden zu Flirten? Ich denke, Sie haben gemerkt, dass es nicht mit einem kecken Augenzwinkern getan ist. Es steckt durchaus eine Menge Arbeit hinter dem Beginn einer Romanze mit Ihren Bewerberinnen und Bewerbern. Aber für die richtigen Mitarbeitenden lohnt sich dieser Aufwand, Sie werden sehen. Der Invest in eine langjährige Liebesbeziehung ist nie falsch, sei es im privaten oder im beruflichen Umfeld. In privaten Liebesdingen können wir Sie leider nicht unterstützen. Sollten Sie Hilfe in Bezug auf das Thema Bewerberinnen und Bewerber brauchen, kontaktieren Sie uns gerne.
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