„Unternehmen werden nachhaltig oder verschwinden vom Markt!“
Von Jeanette Goebes · 2 Minuten Lesezeit
Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Doch Lippenbekenntnisse reichen nicht mehr. Ein spannendes Interview über nachhaltiges Wirtschaften und die Rolle von HR.
Die Heidelberger Druckmaschinen AG ist ein klassisches Maschinenbauunternehmen mit 10.000 Mitarbeitern weltweit. Nach dem Motto „Ökonomisch denken, ökologisch drucken“ ist Umweltschutz seit Jahren ein fester Bestandteil der Unternehmenspolitik. Prof. Dr. Rupert Felder, Senior Vice President Global Human Ressources, erzählt im Interview, wie der Nachhaltigkeitswandel insgesamt und konkret im Personalwesen gelingen kann.
Senior Vice President Global HR
Prof. Dr. Rupert Felder
ist Senior Vice President bei Heidelberger Druckmaschinen und Honorarprofessor an der Hochschule RheinMain für Personalmanagement. In seinem Buch Nachhaltigkeit und HR, welches bei Haufe erscheint, beschreibt er den Rechtsrahmen und stellt die vielfältigen Praxisansätze dar.
Herr Prof. Felder, vor welchen Herausforderungen stehen Unternehmen beim Thema Nachhaltigkeit?
Unternehmen, denen der Nachhaltigkeitswandel nicht gelingt, werden vom Markt verschwinden, davon bin ich überzeugt. Und zwar aus dem folgenden Grund: Die Normierungen nehmen deutlich zu. Neben den Vorgaben aus dem Handelsgesetzbuch und denen, die im Aktienrecht verankert sind, kommt seit 2022 der reformierte Deutsche Corporate Governance Kodex hinzu. Dieser verpflichtet Vorstände börsennotierter Unternehmen, eine Nachhaltigkeitskomponente in die Vergütung zu integrieren. Ob und wie das umgesetzt wird, schauen sich Analysten sehr genau an. Wenn das Nachhaltigkeitsranking des Unternehmens nicht ökologisch genug ausfällt, gibt es im Zweifelsfall kein Geld auf dem Kapitalmarkt. Unternehmen werden in Zukunft also neben ihrer finanziellen Performance auch immer häufiger danach bewertet, wie nachhaltig sie sind. Dazu wird das Thema durch Entwicklungen in den Bereichen digitale Geschäftsprozesse, Demografie und Dekarbonisierung befeuert.
Wie können Unternehmen darauf reagieren?
Unternehmen müssen eine Nachhaltigkeitsstrategie entwickeln, die auf CO2-Neutralität abzielt. Viele setzen das in sogenannten ESG-Projekten (Environment, Social, Governance) um. Interessant ist: Auch Mitarbeitendenthemen werden zunehmend zu Nachhaltigkeitsthemen. So gibt es mit dem Employee Commitment Index eine mitarbeiterbezogene Nachhaltigkeitskomponente. Darin geht es um Aspekte wie Berufsausbildung und Qualifizierung, Nachwuchsförderung, Gesundheitsförderung und Mitarbeiterzufriedenheit. Vorstände, die diese Aspekte in ihrer Strategie vernachlässigen, werden das in der Vergütung zu spüren bekommen – und nur so funktioniert es meiner Meinung nach.
Welche Standards werden konkret in der HR wichtig?
Zunächst müssen wir definieren, was nachhaltige Personalarbeit ausmacht. Orientierung bieten die DIN-Normen wie die DIN 30414, die Norm zur Eignungsdiagnostik, sowie interne HR-Reportings. Damit legen wir die Grundlage für einheitliche Zertifizierungen, wie wir sie aus anderen Bereichen bereits kennen.
Wenn Personaler ein ESG-Projekt aufsetzen und Nachhaltigkeit als HR-Instrument propagieren, können wir diese Kriterien heranziehen, um Erfolg messbar und vergleichbar zu machen. Unternehmen tun gut daran, sich eigene Standards zu setzen. Denn: Der Arbeitsmarkt wandelt sich. Bewerber suchen heute gezielt nach Arbeitgebern mit Nachhaltigkeitsbezug. Sie interessieren sich weniger für Entgeltgruppen und betriebliche Altersvorsorge als für den Sinn und Nutzen von Arbeit hinsichtlich sozialer und nachhaltiger Inhalte. Hinzu kommt, dass ganz neue Berufsfelder entstehen. Wo es früher Feel Good Manager gab, gibt es heute Nachhaltigkeitsmanager.
Wie kann Nachhaltigkeit bei der Personalauswahl aussehen?
Wir achten beispielsweise bei der Auswahl von Auszubildenden nicht nur auf die Noten, sondern auch auf das soziale Engagement. Im Arbeitsalltag fördern wir dann mit verschiedenen Initiativen den Gemeinschaftsgedanken und ermöglichen einen Perspektivwechsel. Über den eigenen Tellerrand zu blicken und sich in Andere hineinversetzen zu können, ist meines Erachtens die Voraussetzung für jedes Nachhaltigkeitsthema. Jeder Ausbildungsjahrgang durchläuft eine Einführungswoche, in der soziale Projekte im Kindergarten oder Seniorenheim umgesetzt werden. Außerdem organisieren wir jährlich einen „Ehrenamtstag“ bei der Feuerwehr, dem Deutschen Roten Kreuz und in anderen sozialen Einrichtungen.
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Stichwort „Green Washing“: Wie schaffen es Unternehmen, dass sich Mitarbeitende mit nachhaltigen Maßnahmen identifizieren?
Ein Unternehmen wird weiterhin zum Zweck haben, Geld zu verdienen. Aber die Art und Weise, wie wir Geld verdienen, wird sich fundamental verändern, zum Beispiel durch eine nachhaltigere Produktion. Alle im Unternehmen, ob Manager, Führungskräfte oder Mitarbeitende, brauchen eine Haltung, die sich an einem Wertegerüst und an Nachhaltigkeitsthemen orientiert. Und es braucht Handlungen, die dieser Haltung folgen. Unser Unternehmen wird auch künftig Maschinen nutzen, die Papier verbrauchen. Aber wir haben die Möglichkeit, Recyclingpapier zu verwenden und Kompensationen zu leisten.
Wer bereit ist, sich zu verändern, und Angebote schafft, welche authentisch und nachvollziehbar sind, bekommt auch die Akzeptanz von der Belegschaft.
Nachhaltigkeit und Arbeitgeberattraktivität
Wer nachhaltig wirtschaftet, ist erfolgreicher – auch beim Recruiting. Wichtig ist eine unternehmensweit einheitliche und glaubwürdige Strategie.
Was ist in puncto Nachhaltigkeit Ihre wichtigste, persönliche Message an den HR-Bereich?
Personalverantwortliche sollten das Thema zeitnah und proaktiv angehen. Meine Empfehlung ist, sich zunächst zu überlegen, wo das Thema Nachhaltigkeit herkommt. Im Bereich Forstwirtschaft etwa vom Kreislaufgedanken – wir können nicht mehr abholzen als Bäume nachpflanzen. Aber auch vom Bild des ehrbaren Kaufmanns im Mittelalter und seiner ethischen Haltung, die sich letztlich in unserem Bürgerlichen Gesetzbuch wiederfindet und im Handelsrecht genauer definiert ist.
Wie möchte ich mich im Wirtschaftsleben verhalten? Und welche Interessen hat mein Unternehmen?
Die wichtigen Fragen lauten also: Wie möchte ich mich im Wirtschaftsleben verhalten? Und welche Interessen hat mein Unternehmen? Die Antworten fallen unterschiedlich aus, je nachdem, ob das Unternehmen familiengeführt ist oder einen angeheuerten Geschäftsführer hat. Daran sollten sich anschließend auch die Vertragsgestaltung und das Anreizsystem orientieren. Erst dann folgen Maßnahmen zu Gesundheitsmanagement, Qualifizierung und Vergütung.
Herzlichen Dank, Herr Prof. Felder, für Ihre Zeit und das spannende Interview!
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