Screen möglicher AI Apps

Juristisches Neuland: So bereitet HR rechtssicher den KI-Einstieg vor

Interview mit der Juristin und KI-Expertin Dr. Inka Knappertsbusch (1/2)

Im August verabschiedete das EU-Parlament den AI Act. Dr. Inka Knappertsbusch ordnet diesen ein und gibt Tipps für den KI-Einstieg aus rechtlicher Sicht

Die gerade beschlossene KI-Verordnung (AI Act) stellt Personalverantwortliche vor Herausforderungen. Die Juristin Dr. Inka Knappertsbusch weiß, wie sich Personalverantwortliche dennoch gut auf den KI-Einstieg vorbereiten können, um die Wettbewerbsvorteile voll auszuschöpfen. Im zweiten Teil des Interviews geht Sie auf die arbeitsrechtlichen Fallstricke ein.

Inka Knappertsbusch

Inka Knappertsbusch

Der Schwerpunkt von Inka Knappertsbusch liegt auf der arbeitsrechtlichen Beratung und Verhandlung im Rahmen von Restrukturierungen und Betriebsvereinbarungen, insbesondere zu IT, KI und New Work. Darüber hinaus berät sie in allen Fragen des Individual- und Kollektivarbeitsrechts sowie des Dienstvertragsrechts. Besondere Kenntnisse besitzt sie außerdem in Datenschutzfragen im Beschäftigungskontext. Sie ist Mitherausgeberin der Bücher "Arbeitswelt und KI 2030" und "Die Zukunft der Arbeit". Zu ihren Mandanten zählen internationale Konzerne ebenso wie mittelständische Unternehmen. Inka Knappertsbusch schloss sich 2019 CMS Hasche Sigle an. Zuvor war sie drei Jahre als Anwältin in einer internationalen Kanzlei tätig. Während dieser Zeit absolvierte sie ein einjähriges Secondment in der Rechtsabteilung eines japanischen Handelshauses in London. 2023 wurde sie Counsel der Sozietät. (Bild: CMS Hasche Sigle)

KI im Arbeitsrecht: Neue Herausforderungen

Frau Dr. Knappertsbusch, als Expertin für Arbeitsrecht haben Sie früh die Potenziale Künstlicher Intelligenz für die Wirtschaft erkannt. HR-Abteilungen betreten mit der Einführung von KI juristisches Neuland. Was reizt Sie speziell an diesem Gebiet? 

Dr. Inka Knappertsbusch: Besonders reizvoll finde ich, dass die Fragen zur Integration von KI in die moderne Arbeitswelt ein noch junges und äußerst dynamisches Rechtsgebiet betreffen, in dem nahezu täglich neue Erkenntnisse, Problemstellungen und Herausforderungen entstehen. Wie Sie bereits sagten, betreten HR-Abteilungen mit der Einführung von KI juristisches Neuland. Damit sind diese allerdings nicht allein, denn auch für mich stellen sich hierdurch immer wieder völlig neue Rechtsfragen. Das bietet mir die Chance, die rechtliche Gestaltung dieser Entwicklungen von Anfang an aktiv mitzuprägen – eine Tätigkeit, die sowohl fachlich spannend als auch herausfordernd ist. Besonders erfüllend ist es dann auch, wenn man sieht, wie eine erfolgreiche Einführung vollzogen wurde und welchen erheblichen Mehrwert Unternehmen daraus am Ende ziehen. 

Auswirkungen des neuen KI-Gesetzes auf das Personalwesen

Im August 2024 verabschiedete das Europäische Parlament das weltweit erste umfassende KI-Gesetz. Für wie gelungen halten Sie es? Inwiefern wirkt es sich auf das Personalwesen aus? 

Dr. Inka Knappertsbusch: Die Idee eines risikobasierten Ansatzes ist sicherlich begrüßenswert. Allerdings lässt die konkrete Umsetzung zu wünschen übrig. Zum einen sind die Regelungen recht kompliziert und schwer überschaubar, insbesondere die Unterscheidung zwischen den Risikokategorien ist nicht immer klar nachvollziehbar. Zum anderen bringt die KI-Verordnung im HR-Bereich, wo oft Hochrisiko-KI eingesetzt wird, eine Vielzahl an Pflichten mit sich, die viele Arbeitgeber, vor allem kleine und mittlere Unternehmen, vor große Herausforderungen stellen werden.

Es ist für Mitarbeiter im Personalwesen von größter Bedeutung, das grundlegende Konzept der risikobasierten Regelungen zu verstehen. Insbesondere ist es wichtig zu wissen, welche KI-Systeme in welche Risikokategorie fallen und welche Verpflichtungen sich aus dieser Kategorisierung ergeben. Viele KI-Systeme, die im HR-Bereich eingesetzt werden, vor allem in den Bereichen Recruiting, Beförderungen oder der Beendigung von Arbeitsverhältnissen, werden als Hochrisiko-KI eingestuft. Diese Einstufung basiert auf der Tatsache, dass solche Systeme erhebliche Auswirkungen auf die beruflichen Perspektiven und den Lebensunterhalt der betroffenen Personen haben können und die Arbeitnehmerrechte stark beeinträchtigen könnten. Arbeitgeber haben in diesem Zusammenhang umfangreiche Pflichten, die unter anderem die Information der Arbeitnehmer und ihrer Vertreter, die Überwachung des KI-Systems sowie die Aufbewahrung von Protokollen für mindestens sechs Monate umfassen. 

Erste Schritte zur Einführung von KI

Ein Unternehmen beschließt, erste Schritte in Richtung KI zu gehen. Nun sind die Personalverantwortliche gefragt. Wie würden Sie vorgehen? Welche Rechtsgrundlagen lohnt es sich zu kennen? 

Dr. Inka Knappertsbusch: Zunächst sollten sie eine Bedarfsanalyse durchführen, um festzustellen, in welchen Bereichen KI eingesetzt werden soll, beispielsweise in der Personalbeschaffung, Mitarbeiterentwicklung oder Personalverwaltung. Die Ziele des KI-Einsatzes müssen klar definiert werden, um sicherzustellen, dass die Technologie den gewünschten Nutzen bringt, etwa Effizienzsteigerungen oder bessere Entscheidungsfindungen. Im nächsten Schritt sollten verschiedene Technologien und Anbieter bewertet werden. Eine Marktanalyse hilft dabei, die passenden KI-Lösungen zu identifizieren. Es ist ratsam, mit kleineren Pilotprojekten zu beginnen, um die Leistungsfähigkeit der KI-Tools zu testen und ihre Auswirkungen auf das Unternehmen zu bewerten. 

Bei der Einführung der KI sind insbesondere das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (insb. Art. 7 Abs. 1 AGG), der Arbeitsschutz (insb. § 5 Abs. 1 ArbSchG), die Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte des Betriebsrats (insb. §§ 87 Abs. 1, 80 Abs. 3 S. 2, 90 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 1, 95 Abs. 2a, 111, 112 BetrVG) der Datenschutz (insb. Art. 22 Abs. 1 DSGVO) und die KI-Verordnung zu beachten. 

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Einführung von KI

Sicher empfiehlt es sich, sich früh mit der Arbeitnehmervertretung an einen Tisch zu setzen, um die Vorteile automatisierter und KI-basierter Prozesse im Tagesgeschäft voll auszuschöpfen. Wie sehen die Mitbestimmungsrechte aus? Haben sich bereits Best Practices für die einvernehmliche Einführung von KI herausgebildet? 

Dr. Inka Knappertsbusch: Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung von Technologien, die zur Überwachung der Arbeitnehmer geeignet sind (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG). KI-Systeme fallen oft darunter, da sie regelmäßig Daten sammeln, die Rückschlüsse auf das Verhalten oder die Leistung der Mitarbeiter zulassen.

Das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ist betroffen, wenn die Nutzung von KI den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer betrifft, etwa wenn mit der Nutzung von KI psychische Belastungen einhergehen. Insbesondere KI-Systeme, die Überwachungsdruck erzeugen, könnten dieses Mitbestimmungsrecht auslösen. Bei der Einführung oder Anwendung von KI hat der Betriebsrat Anspruch auf Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 80 Abs. 3 S. 2 BetrVG). 

Zudem ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Betriebsrat bereits im Planungsstadium über die Planung von Arbeitsverfahren und -abläufen, einschließlich des Einsatzes von KI, zu informieren (§ 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG) und mit diesem zu beraten (§ 90 Abs. 2 S. 1 BetrVG), um dessen Vorschläge und Bedenken berücksichtigen zu können. 

Der Betriebsrat muss zustimmen, wenn KI bei personellen Auswahlentscheidungen zum Einsatz kommt (§ 95 Abs. 2a BetrVG). Dies umfasst etwa die Filterung von Bewerbungen oder die Entwicklung von Versetzungsrichtlinien durch KI. 

Die Einführung von KI kann als betriebsändernde Maßnahme (§ 111 BetrVG) gelten, wenn sie wesentliche Veränderungen in den Arbeitsmethoden oder der Anzahl der Arbeitsplätze verursacht. In solchen Fällen ist der Arbeitgeber verpflichtet, mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich zu verhandeln. Ein Sozialplan kann erforderlich werden, um die wirtschaftlichen Nachteile für die betroffenen Arbeitnehmer abzumildern. 

Entscheidend ist die objektive Eignung der Technologie zur Überwachung, nicht die Absicht des Arbeitgebers. Verarbeitet die KI nur anonyme Daten, entfällt dieses Mitbestimmungsrecht.

KI-Einsatz im Personalwesen: Möglichkeiten und rechtliche Grenzen

Wie lässt sich KI speziell im Personalbereich einsetzen. Was ist aus Ihrer Sicht sinnvoll und was überhaupt erlaubt?

Dr. Inka Knappertsbusch: Schon im Recruiting-Prozess kann KI Bewerbungsunterlagen analysieren, um die Passgenauigkeit der Kandidaten zur ausgeschriebenen Stelle zu beurteilen. Auch Bewerbungsgespräche lassen sich durch KI-Systeme unterstützen, die Persönlichkeitsmerkmale analysieren, um geeignete Bewerber zu identifizieren. Während des Arbeitsverhältnisses ermöglichen KI-Systeme eine objektive und kontinuierliche Leistungsbewertung der Mitarbeitenden auf Basis festgelegter Kriterien, sodass Echtzeit-Analysen verfügbar sind. KI kann nicht nur Aufgaben übernehmen, sondern auch als eine Art Vorgesetzter agieren, indem sie Weisungsbefugnisse gemäß festgelegter Vorgaben ausübt. Darüber hinaus kann sie Störungen im Arbeitsverhältnis erkennen und gesetzliche sowie unternehmensinterne Regelverstöße aufdecken, was zu einer erhöhten Compliance führt. 

Welche KI für das jeweilige Unternehmen sinnvoll ist, hängt von den Bedürfnissen im Einzelfall ab. Heutzutage besteht zumindest die potenzielle Möglichkeit, jeden Bereich durch KI-Unterstützung zu optimieren. 

Die KI-Verordnung definiert erstmalig gesetzliche Grenzen für KI-Anwendungen, insbesondere Verbote für Systeme, die darauf abzielen, das Verhalten von Menschen zu manipulieren oder zu beeinflussen. Ebenso verboten ist die Verwendung von KI-Systemen, um Emotionen einer natürlichen Person im Bereich des Arbeitsplatzes zu erfassen, es sei denn dafür bestehen medizinische oder Sicherheitsgründe. 

Die Einsatzmöglichkeiten von KI im Personalbereich sind vielfältig und erfassen den gesamten Employee Lifecycle.

Handlungsempfehlungen für Personaler"

KI wird die Arbeitswelt verändern. Was sollten Personaler jetzt tun, damit ihre Unternehmen gut vorbereitet von neuen Technologien profitieren können?  

Dr. Inka Knappertsbusch: Um sicherzustellen, dass Unternehmen optimal von den neuen KI-Technologien profitieren können, sollten sich Personaler zunächst intensiv mit den Möglichkeiten und Herausforderungen von KI auseinanderzusetzen. Dies umfasst eine gründliche Analyse, welche Prozesse durch KI optimiert werden können und wie diese Technologien strategisch in die bestehenden Arbeitsabläufe integriert werden können. Des Weiteren sollten Personaler die Mitarbeitenden frühzeitig in den Veränderungsprozess einbinden. Dies beinhaltet nicht nur transparente Kommunikation über die geplanten Veränderungen, sondern auch die Bereitstellung von Schulungen und Weiterbildungen, um sicherzustellen, dass die Mitarbeitenden die neuen Technologien effektiv nutzen können. Eine enge Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat ist ebenfalls entscheidend, um Mitbestimmungsrechte zu wahren und gemeinsam Lösungen zu entwickeln, die den Bedürfnissen der Mitarbeitenden entsprechen. Zudem sollten klare Richtlinien und Ethikvorgaben für den Einsatz von KI entwickelt werden, um sicherzustellen, dass die Technologie verantwortungsvoll und im Einklang mit gesetzlichen Vorgaben eingesetzt wird. Schließlich ist es ratsam, kontinuierlich Feedback von Mitarbeitenden einzuholen und die Implementierung der KI-Systeme regelmäßig zu evaluieren. Dies hilft, Anpassungen vorzunehmen und sicherzustellen, dass die Technologie die gewünschte Effizienzsteigerung und Verbesserung der Arbeitsbedingungen tatsächlich erreicht. 

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