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Die Kollegen KI mit Augenmaß begrüßen

Fünf Tipps für die Jobtransformation

Künstliche Intelligenz kommt. Was Sie heute schon tun können, um mit geringen Risiken von neuen Technologien zu profitieren.

Seit August 2024 ist es amtlich: das erste Gesetz zur Regulierung künstlicher Intelligenz (KI) weltweit. Der vom Europäischen Parlament verabschiedete AI Act soll Personen in ihren Grundrechten schützen. So ist es beispielsweise verboten, die Gefühle von Arbeitnehmern per KI zu überwachen. Call-Center-Mitarbeitende oder Mitarbeitende im Kundenservice müssen also künftig nicht mehr fürchten, dass Arbeitgeber aus Tausenden von Parametern die Emotionen an beiden Enden der Leitung bewerten. Selbstverständlich ist der Europäischen Union nicht daran gelegen, Unternehmen die Wettbewerbsvorteile innovativer Technologien vorzuenthalten. Im Gegenteil: Mit Initiativen wie dem EU Data Act ebnet sie der Digitalisierung den Weg.

Das schlägt sich in einer generell technologieoptimistischen Haltung der Wirtschaft nieder. Unternehmen erwarten viel vom Einsatz Künstlicher Intelligenz, wie eine Umfrage des Bitkom zeigt (siehe Grafik). Auch die KI-Studie von Deloitte für das zweite Quartal zeichnet ein positives Bild: Dreiviertel der 150 befragten Führungskräfte trauen Generativer KI – also Modellen, die neue Inhalte wie Texte erzeugen – viel zu. Fast die Hälfte der Unternehmen setzt sie bereits in Marketing, Vertrieb und Kundenservice ein. Die Befragten erwarten unter anderem, dass die Produktivität steigt und die Kosten sinken. Eine Schlüsselrolle bei der Einführung intelligenter, softwaregestützter Prozesse spielt die Personalabteilung. Ihr kommt auch die nicht immer dankbare Aufgabe zu, die Rahmenbedingungen für die KI-Nutzung zu schaffen. Mit diesen fünf Tipps sind Sie auf einem guten Weg.

1. Beziehen Sie KI in die strategische Personalplanung ein

„Eigene Wege sind schwer zu beschreiben. Sie entstehen ja erst beim Gehen“, heißt es in einem Lied von Heinz Rudolf Kunz. In dieser Phase befinden sich Unternehmen, die eine KI-Strategie aufsetzen, planen dies zu tun oder mit ersten Anwendungen experimentieren. Ganz klar ist nicht, was dabei rauskommt, da noch zu viele Unbekannte im Spiel sind. Wenn Sie den KI-Einsatz in Ihre strategische Personalplanung einbeziehen, bleibt Ihnen nichts anderes übrig als, „auf Sicht“ zu fahren. 


Fest steht, dass KI den Mitarbeitenden einiges abnehmen wird. Da aber bei vielen Unternehmen die entsprechende Strategie noch im Werden ist, kann HR noch nicht genau sagen was.  Das gilt es nun zu klären. Nehmen Sie sich Zeit, um die Jobprofile im Recruiting zu überprüfen: Welche Aufgaben könnte KI künftig übernehmen? Wie wirkt sich das auf die Jobskills aus? Welche Leistungen, die sie heute fordern, brauchen Sie möglicherweise in einem halben Jahr nicht mehr? Verfahren Sie genauso mit den Aufgabenbeschreibungen der Mitarbeitenden: Inwiefern verändert KI deren tägliche Arbeit? Stimmt die künftige Tätigkeit noch mit den beschriebenen Aufgaben überein?  

  • In der Produktion etwa verändert eine KI-gestützte Leitungsüberwachung und Prozessoptimierung die Arbeit im Shop Floor. Skills wie „Genauigkeit“ und „Sorgfalt“ spielen zwar weiterhin eine Rolle. Schneller und besser in der Fehlererkennung dürfte jedoch die KI sein. Möglicherweise brauchen Sie künftig Mitarbeitende, die mit den schnellen Prozessen mithalten können und flexibel reagieren, wenn die Software diverse Anpassungen und Optimierungen vorschlägt.
  • Versicherer können intelligente Software für die Ermittlung von Regressfällen nutzen. Die detektivischen Fähigkeiten in den eigenen Reihen verlieren dadurch mittelfristig an Bedeutung. Wie wirkt sich der Einsatz von KI auf die Arbeit aus? Welche Fähigkeiten werden wichtiger?
  • Aufsehen erregte 2023 eine Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT). Shakked Noy und Whitney Zhang gingen der Frage nach, wie sich der Einsatz von ChatGTP auf die Büroarbeit auswirkt. Dazu haben sie mehr als 400 Probanden typische Aufgaben aus ihrem Arbeitsalltag gestellt: eine Pressemitteilung erstellen, eine unternehmensweite Mitteilung sensiblen Inhalts aus HR-Perspektive verfassen oder eine Datenanalyse planen. Die Gruppe, die ChatGTP nutzte, erzielte durchweg bessere Ergebnisse und war mit diesen auch zufriedener. Shakked Noy und Whitney Zhang schließen daraus, dass mittelmäßige Arbeitskräfte mit Chatbots bessere Ergebnisse in kürzerer Zeit erzielen. Sehr begabte Mitarbeitende halten ihr Niveau, werden aber viel schneller. Das können Sie in die strategische Personalplanung einbeziehen, indem Sie nur noch wenige Menschen mit sehr guten sprachlichen Fähigkeiten einstellen und langfristig zum Beispiel Ihr Marketing mit günstigeren, nicht so profilierten Mitarbeitenden besetzen.


Es lohnt sich durchaus, sich früh Gedanken darüber zu machen, wie sich für verschiedene Einsatzgebiete entsprechende Anforderungen formulieren lassen und wie Sie in der Bewerbungsphase herausfinden können, ob Bewerbende diese mitbringen. Ebenso können Sie ein Zielbild entwickeln, in welche Richtung sich die Belegschaft entwickeln soll, welche Fähigkeiten Sie ausbauen wollen und Träger welcher Kompetenzen Sie nicht unbedingt nachbesetzen müssen.
Wenn Sie sich darüber im Klaren sind, mit welchen KI-Szenarien das Unternehmen wahrscheinlich einsteigen wird, prüfen Sie, wie es um das benötigte Digital-Know-how bestellt ist. Wen müssen Sie für die Arbeit mit den Systemen rekrutieren? Wen können Sie aus- oder weiterbilden? Dazu Deloitte: „Unternehmen passen ihre Talentstrategien an die Ära der Generativen KI an. 37 Prozent der Führungskräfte geben an, dass ihre Unternehmen in diesem Punkt noch unzureichend auf die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Einführung Generativer KI vorbereitet sind. Allerdings planen fast drei Viertel der Befragten, ihre Talentstrategien in den nächsten zwei Jahren entsprechend anzupassen, insbesondere durch Veränderung von Arbeitsprozessen und verstärkte Qualifizierung/Umschulung. Zudem beabsichtigen 39 Prozent der Unternehmen, im Zuge ihrer GenAI-Initiativen die Belegschaft innerhalb der nächsten 12 Monate zu erweitern.“ [1]

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2. Machen Sie Ihr Personal KI-ready

Setzen Sie KI auf die Agenda. Machen Sie automatisierte Anwendungen und Algorithmen-basierte Entscheidungen intern zum Thema. Beginnen Sie damit, indem Sie eine KI-Richtlinie entwickeln. Sorgen Sie dafür, dass sich die Mitarbeitenden in ihren Fachbereichen mit den Anwendungen auseinandersetzen und Einsatzszenarien entwickeln. Bauen Sie etwaige Ängste ab, indem Sie einzelne Maßnahmen durch ein umsichtiges Change Management begleiten. Denken Sie darüber hinaus daran, die Arbeitnehmervertretung in alle KI-Vorhaben einzubinden und den Mitarbeitenden die Möglichkeit einzuräumen, Vorschläge einzubringen und Bedenken zu äußern.

Viele Jobprofile werden mehr Digital-Skills erfordern. Bereiten Sie Ihre Mitarbeitenden mit entsprechenden Schulungen darauf vor. Neben Kenntnissen in IT und Data Science sind Sie auch auf KI-Spezialwissen angewiesen. Da die Kompetenzen noch nicht flächendeckend gelehrt werden und schnell veralten, können Sie sich als Arbeitgeber mit Trainings on the Job in diesem Bereich profilieren und Ihre Attraktivität steigern. Binden Sie KI-fitte Kolleginnen und Kollegen, indem Sie sie als Gegenleistung für besonders attraktive Weiterbildungen dazu verpflichten, eine Zeit lang im Unternehmen zu bleiben.

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3. E-Mails ausdrucken war gestern: Sensibilisieren Sie die Führungsriege

Wo, wann und wie KI eingeführt wird, sind strategische Entscheidungen. Um diese treffen zu können, brauchen Führungskräfte Wissen über die Möglichkeiten, Grenzen und Gefahren von KI-Anwendungen. Fordern Sie die Auseinandersetzung damit ein und versetzen Sie Entscheider in die Lage, sich dieses Orientierungswissen zu erwerben. Detailkenntnisse, Sachwissen und das geeignete Know-how, um intelligente Software einzuführen, weiterzuentwickeln und zu pflegen, können Sie getrost vom IT-Team erwarten. Was strategisch mit dem Einsatz selbstlernender Software erreicht werden soll, muss die Geschäftsführung entscheiden. Und sie sollte es schnell tun, denn bis eine neue Lösung rund läuft und alle damit vertraut sind, dauert es bekanntlich eine Weile. Hier sind Sie möglicherweise gefordert, die Rolle der Mahnerin zu übernehmen. Spätestens wenn der Wettbewerber früher mit dem besseren Chatbot die Kundenzufriedenheit in die Höhe treibt und Ressourcen sowie Geld im Service spart, ist das Gejammer groß.

Aus dem Change Management ist bekannt, dass Projekte häufig im mittleren Management hängenbleiben. Fördern Sie deshalb in Ihren Führungskräfteprogrammen die digitale Kompetenz der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Bringen Sie KI-Themen immer wieder ins Spiel. Machen Sie Führungskräften ihre Vorbildfunktion bewusst und ermuntern Sie sie, selbst KI einzusetzen.

4. Behalten Sie die Grenzen und Risiken von KI-Anwendungen im Blick

Entschlossenes Handeln ist gut, aber besser kein blindes Vertrauen. Die Grenzen und Risiken von KI-Anwendungen sind nicht von der Hand zu weisen und sollten daher von Vornherein bedacht werden: Das große Potenzial, aber auch die Gefahr der Technologie liegt darin, dass wir nicht nachvollziehen können, wie sie zu ihren Ergebnissen kommt. So übertrifft sie mit ihrer Rechenleistung zwar das menschliche Gehirn, liegt aber nicht immer richtig – und kann Schaden anrichten. Das sollten Sie bedenken, denn für die Personalplanung bedeutet es, dass Sie auf jeden Fall Kapazitäten vorhalten müssen, um die Ergebnisse der KI zu prüfen und richtig einzuschätzen.

Sensibilisieren Sie die Mitarbeitenden für die Risiken, die mit der Einführung der Technologien einhergehen. Sobald personenbezogene Daten im Spiel sind – ganz gleich, ob von Mitarbeitenden, am Unternehmen Interessierten oder Kundinnen und Kunden – ist besondere Vorsicht geboten. Wenn Sie Ihren Mitarbeitenden KI Tools zur Verfügung stellen, ist es an Ihnen, dafür zu sorgen, dass sie diese Tools verantwortungsvoll einsetzen. Eine Gefahr liegt auch darin, dass die Kolleginnen und Kollegen vertrauliche Geschäftsinterna in externe Systeme eingeben. Das sollten Sie nur dann erlauben, wenn garantiert ist, dass die KI nicht mit Ihren Unternehmensdaten lernt.

Bei aller Arbeitserleichterung wachsen auch mit Künstlicher Intelligenz die Bäume nicht in den Himmel. Wenn Sie das Ihren Mitarbeitenden klar machen, werden sie das, was die Systeme tatsächlich leisten können, mehr zu schätzen wissen. Damit fahren Sie besser, als wenn Sie übertriebene Erwartungen enttäuschen und die Motivation, sich mit der neuen Technologie auseinanderzusetzen, in den Keller geht.

5. Wer erreichbar ist, muss liefern: Denken Sie an die nachgelagerten Prozesse

Rufen Kunden bei einer Hotline an und kommen nicht durch, sind sie unzufrieden. Doch es kann noch schlimmer kommen: Stellen Sie sich vor, sie implementieren leistungsstarke Chatbots, die in Windeseile Termine vereinbaren, Tickets eröffnen und die Kalender ihrer physischen Kolleginnen und Kollegen mit Serviceaufträgen fluten. Die Freude der Belegschaft dürfte sich in Grenzen halten – es sei denn, Sie haben mit einer klugen Personalplanung vorgebeugt. Bevor Sie ein System live schalten, machen Sie sich klar, welche Auswirkungen das auf die Arbeitsbelastung in den einzelnen Teams hat und ob das Unternehmen mit der Performance der digitalen Kollegen überhaupt mithalten kann. Sonst ist die KI schneller abgeschaltet, als Ihnen lieb sein dürfte – und die Stimmung im Keller.

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Noch in weiter Ferne: KI-Steuer

Im vergangenen Jahr brachten Mitglieder des Regierungsbündnisses die Idee einer KI-Steuer ins Spiel. Zum einen sollen Arbeitsplätze damit geschützt, zum anderen Ausfälle bei der Lohnsteuer kompensiert werden. Zwar können Sie im Hinterkopf behalten, dass Sie die Arbeitskraft KI langfristig nicht zum Nulltarif beschäftigen. Noch handelt es sich dabei allerdings um eine Gleichung mit zig Unbekannten: Welche Anwendungen wären betroffen? Welche Unternehmen fallen unter die Regelung? Werden sie am Unternehmenssitz besteuert oder dort, wo sie Leistungen erbringen? Sollten Sie als Arbeitgeber jemals KI-Steuer-pflichtig werden, zählen Sie zu den Gewinnern. Denn Sie haben Lösungen implementiert, mit denen Sie Umsätze erwirtschaften. Setzen Sie das Thema zügig auf die Agenda. Dann stehen die Chancen gut, dass Sie die Technologie mittelfristig deutlich weniger kostet als nützt.

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Quelle

1. https://www2.deloitte.com/de/de/pages/trends/ki-studie.html