Was ich von Jogi Löw über Personalauswahl gelernt habe
Von Dominik Josten · 2 Minuten Lesezeit
Im Job wie im Fußball gilt: Nur funktionierende Teams haben Erfolg. Im Mittelpunkt: die erfolgreiche Personalauswahl. Es zählt mehr als nur Leistung.
Von Kompetenz und Persönlichkeit
Kennen Sie Sandro Wagner? Sagt Ihnen nichts? Macht nichts. Sandro Wagner war Fußballprofi. Mittelstürmer. Beim großen FC Bayern München. Und Nationalspieler. Gut, er war eher der Typ "Ergänzungsspieler", der spielt, wenn die ganz großen Stars geschont werden sollen. Dennoch, von den deutschen Stürmern hatte er vor ein paar Jahren mal die beste Torquote der Bundesligasaison.
Für Jogi Löw, ehemaliger National- und Weltmeistermeistertrainer, war das nicht genug. Er hatte Sandro Wagner 2018 nicht fürs WM-Team nominiert. Und das aus gutem Grund. Löw verfolgte ein klares Konzept zur Teamzusammensetzung, bei dem mehr zählt als nur Leistung. Als Personalverantwortliche oder Führungskraft im Unternehmen kann man durchaus davon lernen.
5 Tipps für eine erfolgreiche Teamzusammensetzung
Als ich selbst in den letzten Jahren als Mitglied der Geschäftsleitung mehrmals vor der Aufgabe stand, neue Mitarbeitende ein- oder Teams zusammenzustellen, haben sich einige der Löw-Kriterien auch im Berufsalltag erfolgreich bewährt.
1. Das "Miteinander" muss passen
Ich merke regelmäßig, wie viel Spaß es macht, mit meinem Team zu arbeiten. Das motiviert und führt ultimativ zu mehr Erfolg. Genau deshalb achte ich sehr darauf, dass neue Mitarbeitende menschlich passen. Kompetenzlücken kann man schließen, Persönlichkeiten aber sind wie sie sind.
Auch Jogi Löw weiß: Topstürmerinnen und Topstürmer gewinnen Auszeichnungen, Teams werden Weltmeister. Die Statistik gibt ihm recht: Nur bei 3 von 20 WM-Turnieren der Männer wurde das Team des alleinigen Torschützenkönigs auch Weltmeister.
2. Ein gutes Team braucht verschiedene Rollen
Jedes Projekt, jede Herausforderung ist individuell. Es sind immer wieder andere Fähigkeiten und Persönlichkeiten, die zum Erfolg führen. Sinnvolle Ergänzung im Team statt zu viel vom Gleichen ist daher das Zauberwort. Deshalb versuche ich immer darauf zu achten, dass jedes Teammitglied „seine oder ihre“ Besonderheit hat und so das Gefühl bekommt, mit der eigenen Persönlichkeit und den eigenen Fähigkeiten wertvoll und nicht beliebig ersetzbar zu sein.
3. Kein Vertrauen. Kein Team. Kein Erfolg.
Miteinander arbeiten braucht Vertrauen. Darauf, dass alle an einem Strang ziehen. Im Vertrauen gesagte Dinge auch vertraulich bleiben. Sich nicht gegenseitig in den Rücken fallen, wenn mal ein Fehler passiert. Entscheidungen auch dann akzeptieren, wenn man selbst anderer Meinung ist. Daher versuche ich in Bewerbungsgesprächen eine Atmosphäre zu schaffen, in der Bewerbende offen und unverstellt sein können. Wer sich darauf einlässt, spielt auch später eher mit offenen Karten. Eine Grundvoraussetzung für Vertrauen.
4. Teamplayer brauchen ein realistisches Selbstbild
Früher oder später kommt es sonst zu Konflikten. Etwa dann, wenn Mitarbeitende meinen, sie seien besser als andere, wenn sie unrealistische Ansprüche stellen oder auf Feedback nicht eingehen können. Es hilft nichts, wenn ich als Führungskraft versuche, mich hierarchiefrei in agile Zusammenarbeit einzubringen, wenn sich gleichzeitig Mitarbeitende aufspielen und sich mehr herausnehmen als sie eigentlich sollten. Oder wie Jogi Löw sagen würde: Der Star ist das Team.
5. Die langfristige Perspektive zählt
Klar, jede Position hat gewisse fachliche Anforderungen, die erfüllt werden müssen. Doch langfristiger Erfolg braucht steten Wandel. Mitarbeitende müssen sich daher entwickeln wollen und können. Die Fähigkeiten zum Zeitpunkt der Einstellung werden mit jedem Monat im Unternehmen weniger wichtig. Daher gebe ich auch Quereinsteigenden eine Chance, wenn sie individuelle Stärken mitbringen und glaubhaft die Bereitschaft vermitteln, die fachlichen Mängel aufzuarbeiten.
Nehmen Sie bei der Personalauswahl nicht die Besten, sondern die Passendsten
Zugegeben, die obigen Kriterien lassen sich nicht mal eben mit einem aus dem Internet geladenen Test überprüfen. Vielleicht probieren Sie dennoch bei der nächsten Einstellung einmal aus, auch die oben genannten Aspekte gezielt zu untersuchen. Natürlich spielt Bauchgefühl dabei eine große Rolle. Doch Situationen, in denen man dieses spürt, kann man gezielt schaffen. Fragen Sie doch nach dem Bewerbungsgespräch die Bewerbenden, wie sie ihren Auftritt selbst bewerten. Und was sie anders machen würden, wenn sie es am nächsten Tag nochmal versuchen dürften.
Ich habe das nach einem nur als „desaströs“ zu bezeichnenden Gespräch mal gemacht. Die ehrliche, schonungslose und sehr präzise Selbstkritik der Bewerberin hat mich dazu bewogen, ihr eine zweite Chance zu geben. Der Rest ist Geschichte, wie man so schön sagt. Niemand in der Firma würde die Kollegin heute missen wollen.
PS: Sandro Wagner hatte sich übrigens nach Verkündung seiner Nicht-Nominierung vors nächste Mikro gestellt und beleidigt seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft verkündet. Und dass er wohl zu meinungsstark sei für das DFB-Team.
Jogi Löw hat bei der Personalauswahl offenbar alles richtig gemacht.
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