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18

Interview mit Viola Bornmann, Sprechtrainerin und Opernsägerin

Gut gestimmt - die eigene Sprechstimme im Griff

Egal ob Personaler oder Führungkraft: Unser wichtigstes Werkzeug im Alltag ist unsere Stimme. Mit ihr kommunizieren wir - fragen, erklären, diskutieren oder schlichten. Und während wir uns oft viele Gedanken machen, welche Worte wir benutzen, die eigene Stimme wird meist als gegeben betrachtet. Dabei ist sie es, die den Wortern oft erst ihre wahre Bedeutung verschafft. 

Viola Bornmann, Sprechtrainerin und Opernsägerin gibt Tipps, wie man den eigenen Auftritt dank Stimmkontrolle deutlich verbessert.

Dominik Josten: Hallo und herzlich willkommen im HR Heute Podcast. Heute geht es um Kommunikation. Aber nicht um das übliche wie Formulierungen, aktiv Zuhören usw., sondern es geht um ein zentrales, selbstverständliches Element. Es geht um die Stimme, die Sprechstimme um genau zu sein. Wie mächtig diese sein kann, wissen wir alle schon seit wir Kinder sind, als wir nur daran, wie unsere Eltern unseren Namen gerufen haben, schon wussten, was diese denken.

Doch in Zeiten von Homeoffice und remote work, wo der Großteil der Kommunikation über Telefon oder höchstens mal Video stattfindet und sich die Teilnehmer auch nicht im kontrollierten Büroumfeld befinden, sondern zahlreichen Einflussfaktoren von Kindern, über Haustiere bis Postboten ausgeliefert sind, wird es umso wichtiger sich der Wirkung der eigenen Stimme bewusst zu werden. Ansonsten drohen leicht Missverständnisse oder vielleicht sogar Missstimmung, wenn sich ungewollte Untertöne in die Botschaft mischen. Doch auch im normalen Alltag kann es sehr helfen, Einflussfaktoren auf die eigene Stimme zu kennen sowie Tipps und Tricks, diese zu kontrollieren. Egal ob es um Artikulation, Geschwindigkeit, Tonhöhe oder Atempausen geht. Botschaften wirken einfach nachdrücklicher, authentischer und manchmal auch einfach nur sympathischer, wenn die Sprechstimme bewusst eingesetzt wird. Egal ob im Kundengespräch, Vortrag, im Feedback oder im vermeintlich zwanglosen Smalltalk. Da habe ich heute eine Expertin eingeladen, eine Expertin für Stimme. Sie ist ausgewählte Opernsängerin und Vokalcoach und zu ihren Klienten gehören Manager und Redner genauso wie Gesangstalente. Sie wird uns heute in eine Welt entführen, über die die meisten von uns wohl wenig wissen. Jedenfalls mir sagt der Unterschied zwischen Schild- und Ringknorpel nichts. Aber wir wollen heute gar nicht so groß in die Theorie einsteigen, sondern über die Stimme im praktischen Berufs- und Büroalltag reden. Als Personaler, als Führungskraft, als Kollegen. Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt und begrüße ganz herzlich Viola Bornmann. Hallo Viola, schön, dass du hier bist.

Viola Bornmann: Hallo Dominik. Ich freue mich da zu sein.

Dominik Josten: Ich mich auch, weil es ist wirklich mal ein neues, ein anderes Thema. Man geht ja irgendwie davon aus „die Stimme ist so selbstverständlich“ und wir glauben vielleicht alle „wir haben sie voll im Griff“, aber ich bin sicher, wir können heute von dir noch viel mitnehmen.

Über unseren Interview-Gast

Viola Bornmann_Porträt

Viola Bornmann

Viola Bornmann ist Sängerin, Songwriterin, Vocal Coach und Estill Master Trainer aus Berlin. Zu Ihren Klienten gehören Manager und Redner genauso wie Gesangstalente.

 

Was macht ein Vocal-Coach

Dominik Josten: Vielleicht mal so zum Einstieg erstmal, ich weiß nicht, wie es anderen geht, aber ich denke wenn man „Vocal-Coach“ hört, ich denke heutzutage meistens an Castingshows oder sowas, aber vielleicht nicht unbedingt an meinen Chef, der sich irgendwie seine Stimme trainieren lässt. Erzähl uns doch mal ein bisschen von deinem Alltag, deinem Coachingalltag, speziell in Bezug auf das Sprechtraining im Unternehmenskontext, Redner, Manager etc. Wie muss man sich das vorstellen?

Viola Bornmann: Klar, du hast recht, vocal coaching bezieht sich auch auf Singen, aber es kommen wirklich alle Leute, die mit Stimme zu tun haben. Du hast es gerade total schön gesagt „Stimme ist ein verbindendes Element“, wir benutzen sie alle und deswegen kann sie natürlich auch schnell zu Missverständnissen führen und oftmals kommen zu mir Leute, die ihre Stimme bewusster einsetzen wollen, die sich vielleicht auch unsicher mit ihrer Stimme fühlen und das Gefühl haben, sie können irgendwie noch mehr Kontrolle darüber gewinnen, dass Kommunikation irgendwie noch konfliktfreier funktioniert, noch effektiver funktioniert. Es ist ja ein essenzieller soft skill für uns alle. Oder es kommen Leute, die wirklich stimmliche Probleme haben, sich heiser fühlen, Halsschmerzen haben, ein großer Pool von Menschen, die plötzlich das Gefühl haben „Stimme ist wichtig“ und jetzt noch viel wichtiger geworden, da wir auch alle online zugange sind und ein ganz großer Teil dieser Live-Ausstrahlung auch wegfällt.

Die Sprechstimme im beruflichen Alltag

Dominik Josten: Lass uns doch vielleicht erstmal in den Praxisalltag der Berufstätigen einsteigen. Was sind aus deiner Sicht Situationen, wo du sagen würdest „da ist die Bedeutung einer bewussten Sprechstimme besonders hoch“ und was für ungewollte „Fehler“ auch dabei passieren, weil es ist ja nicht Absicht, sondern es sind eher so Einflussfaktoren, die man nicht bewusst hat?

Viola Bornmann: Ganz klar, was erstmal Konflikte angeht: Stimme ist ein Vehikel für unsere Kommunikation. Ohne den bewussten Einsatz von Stimme kann ich nicht ohne weiteres Gespräche leiten, wie ich mir das eigentlich vorstelle, d. h. es kann oft zu Missverständnissen kommen, es kann zu Konflikten kommen, Informationen können verlorengehen, es kann zu Frust kommen und in einem Arbeitsbereich zu einem angestrengten Arbeitsklima und ganz konkret, möchtest du schon konkret ein bisschen reingehen oder noch gar nicht?

Dominik Josten: Lass uns ruhig mal so ein bisschen überlegen, weil ich denke wir sind oft der Meinung „wie wissen, wie wir stimmen“, aber dann hat man ja doch so Einflussfaktoren, die man nicht so bewusst hat als Laie, dass man irgendwie vielleicht ein bisschen verkrampft ist in der Stimme oder im Hals oder sonst wo oder auch gestresst wirkt, obwohl man nur die Treppe hochgelaufen ist. Was kennst du da aus deinem Alltag, was sind so typische Fälle, wo der Laie gar nicht merkt, dass seine Stimme vielleicht anders wirkt, als er selber denkt? Für mich als Laie ist die eigene Stimme auf Ton zu hören immer wieder grauselig. Man kennt die eigene Stimme eigentlich gar nicht so genau.

Viola Bornmann: Absolut. Das ist für die meisten ein bisschen erschreckend, wenn sie ihre eigene Stimme zum ersten Mal hören. Du hast es gerade schon gesagt, ganz bewusst gibt es ja oft Situationen, wo man Menschen kennenlernt und dann denkt „wow, das ist aber eine angenehme Stimme“, aber unbewusst passiert ja noch viel mehr. So eine Stimme kann ja überzeugen, Kompetenz vermitteln, auch schlichtend sein, vertrauensbildend sein. Das wollte ich noch zu dem davor sagen. Es ist ganz viel, was da auf einem unbewussten Level stattfindet. Ganz konkret gibt es wahrscheinlich ganz oft das Gefühl, dass man sich körperlich angespannt fühlt nach langem Sprechen, nach Kommunikation, dass man außer Atem ist, dass man wirklich Schmerzen hat, dass man heiser ist, Halsschmerzen hat und ganz oft gibt es auch das Gefühl, dass man im privaten Kontext eine ganz andere Stimme hat als im beruflichen Kontext, weil man da vielleicht angespannt ist, weil die Stimme gepresst ist und das Schöne ist ja, dass wenn man das Gefühl hat „ich habe meine authentische Stimme“, das ist dann am überzeugendsten eigentlich auch.

So prüft man die eigene Stimme

Dominik Josten: Als Laie denke ich mir so „man klingt, wie man gerade klingt“, man merkt vielleicht, wenn der Mund ein bisschen belegt ist, weil man irgendwas falsch gegessen hat oder keine Ahnung, aber so die Feinheiten, die erkennt der Laie vielleicht nicht. Mal so aus deiner Sicht, wie prüfst du quasi, von mir aus vor einer Aufnahme oder wenn du irgendwas machst, wie deine Stimme heute drauf ist? Kann man das irgendwie sagen? Ist das wie bei einem Sportler, der mal guckt, wie sich die Muskulatur anfühlt, so ist es wahrscheinlich bei dir auch oder?

Viola Bornmann: Ja, definitiv.

Dominik Josten: Was machst du dann?

Viola Bornmann: Wirklich ganz klar erstmal ein paar Töne machen und dann merke ich eigentlich auch gleich „ist mein Hals verspannt? Wie schließen meine Stimmlippen heute? Wie klar ist meine Stimme? Bin ich außer Atem?“ und dem gehe ich dann auch bewusst entgegen. Ganz konkret mache ich dann „lipdrills“ oder summe ein bisschen, kaue ein bisschen. Ich checke schon meine Stimme ab „ist sie heute da?“ und wenn ich merke „sie ist nicht da“, dann versuche ich sie so ein bisschen zu aktivieren.

Dominik Josten: Das ist vielleicht eine spannende Überleitung zu dem Hauptteil der Frage. Wenn ich Führungskraft bin oder Vetriebler, ich habe gleich einen großen Kundentermin.

So bereitet man die Stimme vor wichtigen Terminen vor

Dominik Josten: Was würdest du vorschlagen, wie man sich da vorbereiten kann, wenn man das Gefühl hat, dass man angespannt oder nervös ist und weiß vielleicht, wenn man nervös ist, geht die Stimme immer hoch oder sowas, da gibt es ja so verschiedene Maßnahmen. Vielleicht kannst du uns da ein bisschen was zu erzählen, was sind so die Komponenten der Stimme, ich habe zur Einleitung so als Laie gesagt „Artikulation, Höhe, Tempo, Pausen“ etc. und dann vielleicht, was man jeweils tun kann, wenn man das Gefühl hat „da bin ich vielleicht ein bisschen hektisch oder zu laut, zu leise, zu hoch“, was auch immer.

Viola Bornmann: Ich würde sagen, dass da verschiedene Komponenten mit reinspielen in die Kommunikation, wenn wir nochmal zur Kommunikation gehen und nicht nur zur Stimme. Das ist zum einen das Sprachliche, das Stimmliche, die Atmung, und auch das Körperliche, wie ich mich körperlich präsentiere und wenn du sagst es geht um einen Termin, wo man ein bisschen angespannt ist, dann würde ich auf der sprachlichen Ebene schauen, dass man wirklich nicht zu schnell startet, sondern dass man Ruhe in die Sprache bekommt, Sprachpausen macht, dass man nicht zu schnell spricht und dass man auch am Ende des Satzes mit der Sprachmelodie nach unten geht. Dann kann man sich auch nicht so schnell verheddern und ganz oft hören wir „gut artikulieren“ und das ist ein häufiger Fehler, dass man sich dann ganz groß und deutlich artikuliert, aber das ist meistens für den anderen dann gar nicht so verständlich. Je kleiner, je präziser ich artikuliere, desto mehr Ruhe bringe ich in meine Stimme und umso einfacher ist es auch für die andere Person zu folgen. Gerade, wenn es ein angespanntes Gespräch ist, auch deswegen, dass die andere Person erstmal reflektieren kann und auch eingreifen kann. Dass die andere Person die Möglichkeit hat, auch an der Kommunikation teilzunehmen. Letztendlich sind Pausen für Kommunikation ja genauso wichtig wie der sprachliche Anteil.

Dominik Josten: Wenn der Profi sagt „rede langsamer“ oder „mache mehr Pausen“, das kann man dann kognitiv vielleicht auch wahrnehmen, glauben und sich sogar merken. Die Frage ist ja nur: Kriegt man es dann in der Situation auch wirklich hin? Man kennt das vielleicht auch gerade von hitzigen Diskussionen, man ist sonst ganz beherrscht und man wird plötzlich schneller, man wird lauter, man wird höher, gibt es da irgendwelche Stimm-Entspannungsübungen oder so, die man machen kann, um das auch umzusetzen? Das Eine ist ja es theoretisch zu wissen, „mache Pausen, rede bedächtig“, aber das kommt dabei ja wahrscheinlich auch nicht, nur weil man es mal gelesen hat, kann man es dann plötzlich.

Viola Bornmann: Ne, absolut. Das hat auch viel mit Übung zu tun. Da spielen auch die anderen Komponenten mit rein wie z. B. Atmung. Je tiefer meine Atmung ist, je mehr ich die Atmung in meinem Bauch lassen kann, desto entspannter ist auch meine Stimme. Ganz oft, wenn wir im Alltag atmen, dann ziehen wir die Atmung in die Schulter, die Schultern ziehen nach oben, grundsätzlich ist es aber so, wenn wir einatmen, der Bauch sich eigentlich weitet. Wenn wir ausatmen, dann geht er zusammen. Das kann man wirklich ein paar Minuten mal machen. Die Hände auf den Bauch legen, direkt vor dem Gespräch und einfach nur mal spüren, wie die Atmung in den Bauch geht. Der Bauch wird weit, wenn wir einatmen und geht wieder rein, wenn wir ausatmen, sodass wir ein bisschen Verspannung aus den Schultern herausbekommen, weil da verspannt sich das Zwerchfell schnell mit und das brauchen wir für die Artikulation, für die Sprache. Atmung ist ein ganz wichtiger Faktor. Das kann ich vielleicht auch mitten im Gespräch machen, dass ich meine eigene Atmung ein bisschen wahrnehme, schaue, dass die Atmung fließt und ich mich irgendwie festhalte und gar nicht mehr einatme. Das passiert auch manchmal, dass man plötzlich merkt, dass man gar nicht mehr atmet. Da kann man sich selbst beobachten vor dem Gespräch und auch währenddessen. Vielleicht mal eine kleine Atempause machen. Wenn es um die stimmliche Komponente geht, dann kann wirklich vorher dieses Lippenflattern oder ein ganz leises Summen und dabei Kauen, wirklich in der Sprechstimme, wie ich auch sprechen würde, da kommt man gut zu einer Entspannung und dann auch zu einem authentischen Klang. Da kann man ein bisschen rausfinden „wo ist eigentlich meine Sprache, meine Sprachmelodie, wo klinge ich?“ und wirklich vor dem Gespräch auch mal das Gesicht massieren, den Kiefer massieren. Der Kiefer ist oft super verspannt, kennen viele Leute, ich mache das auch, nachts den Kiefer anspannen und der bewirkt auch, dass die Stimme gepresst ist.

Sollte man möglichst tief reden?

Dominik Josten: Wie stehst du eigentlich dazu, es gibt ja auch mal so Empfehlungen, besonders tief zu reden oder besonders langsam, wie stehst du dazu? Funktioniert das wirklich oder ist es dann doch besser authentisch zu reden, wenn man eine hohe, piepsige Stimme hat, dann in der zu reden oder wie würdest du da rangehen, wenn man so an den business Alltag denkt?

Viola Bornmann: Ich glaube Konsens ist, dass der authentische Klang für alle Leute am besten ist, d. h. wenn ich mich jetzt zwinge tief zu sprechen, aber meine Sprechstimme eigentlich gar nicht so tief ist, dann ist es zum einen super anstrengend, irgendwann wirkt die Stimme auch angespannt und zum anderen bringt das nicht die Realität rüber. Wenn man aber wirklich so gepresst spricht und so piepsig und sich darin unwohl fühlt, dann ist das wahrscheinlich auch nicht der authentische Klang. Da komme ich dann wieder zurück zu diesem Kauen, Summen, Kiefer massieren, Hals massieren, da merkt man ganz oft, wenn man es gemacht hat, wird die Stimme plötzlich viel tiefer. Am besten wirklich schauen „wie ist meine Stimme? Wie klingt meine Stimme, wenn sie wirklich in der Entspannung ist?“ und das probiert man am besten erstmal in privaten Kontext aus.

Dominik Josten: D. h. wärst du dafür, wenn man so einen großen Vortrag macht, das vorher mal zu proben, vielleicht auch mal live aufzunehmen und sich anzuhören? Oder kann man da als Laie gar nichts draus mitnehmen?

Viola Bornmann: Also wenn man sehr gestresst ist und sehr angespannt ist und das eine Minute davor macht, dann würde ich es nicht empfehlen, weil dann vielleicht auch so ein Schreckmoment dazu kommt, aber gerade auf lange Sicht würde ich vielleicht sogar vorschlagen, dass man sich einfach nur einen Satz nimmt, vielleicht auch nur aus der Präsentation und den immer wieder spricht und auch übt, diesen Satz langsam zu sprechen, dass man sich auch an ein langsames Sprachtempo gewöhnen kann und den aufnehmen und den anhören und dann schauen „wie hört sich das an? Finde ich mich da wieder? Höre ich mich da wieder?“. Das würde ich auf lange Sicht machen und auf kurze Sicht auch aufnehmen, den Vortrag aufnehmen, anhören, nur eben vielleicht nicht eine Minute vorher.

So läuft ein Stimm-Coaching ab

Dominik Josten: So ganz kann ich es mir noch nicht vorstellen, wenn man als Führungskraft jetzt mal öffentlich redet und dann zu dir kommt und in einem Sprechtraining seine Stimme entwickeln will. Klar, du hast schon ein paar Tipps gegeben und es geht nicht darum, dass du jetzt hier die Inhalte von eventuell wochenlangen Coachings in fünf Minuten wiedergibst, aber was machst du dann mit so jemandem? Gibt es eine Analysephase, dass du erstmal denjenigen reflektierst und zurückspiegelst, wie seine/ihre Stimme rüberkommt, wie sie wirkt, was dir auffällt? Gibt es da Trainingspläne? Ich stelle mir gerade vor, es hört jetzt jemand zu und sagt „ich weiß das, ich finde meine Stimme grauselig und ich werde nervös und dann rede ich so viel und zu schnell und zu laut und dann werde ich immer höher und ich vergesse das Atmen“ und sich dann einfach mal überlegt, so ein bisschen Summen, Kauen, das kann ich in der absoluten Stresssituation kurz vorher machen, aber wie kann man vielleicht auch so ein bisschen längerfristig an seiner Stimme üben? Gibt es da ein paar Tipps, Tricks und Übungen, wo man sagen kann „das kann man mal machen?“. Ich kannte mal jemanden, der sich morgens immer mit einem Korken im Mund vor den Spiegel gestellt hat und geredet. Ich weiß nicht, ob es was gebracht hat. Gibt es solche Übungen?

Viola Bornmann: Ja super viele. Der Korken ist auch so ein alter Schauspieler:innen-Tipp, dass man sich irgendwie einen Korken in den Mund schiebt und damit die Artikulation übt. Wenn jemand ins vocal coaching kommt zu mir, dann ist das ja schon der allererste Schritt. Da ist ja dann schon Bewusstsein für die Stimme da und auch der Wunsch irgendwie diese bewusst einzusetzen und dann meistens auch eine bestimmte Baustelle. Jeder kommt ja mit einer bestimmten Baustelle. Das funktioniert genau so. Dann schaut man sich erstmal an, wo ist die Baustelle? Was ist das Problem oder was ist der Wunsch? Vielleicht überzeugender zu kommunizieren oder bewusster, vertrauensbildender aufzutreten oder so. Dann nimmt man sich meistens einen Text und übt dann konkret an dem Text. Wenn es jetzt um Artikulation geht, gibt es genau solche Sachen, wie sich z. B. einen Korken in die Mitte des Mundes schieben und dann versuchen trotzdem noch zu kommunizieren. Kann man auch mit Fingern machen, dass man trotzdem noch gut artikuliert, obwohl da der Korken steckt. Ich arbeite viel mit längeren Texten und da merkt man auch wie anstrengend das eigentlich ist und wie schnell das eigentlich passiert, dass die Stimme höher wird, dass die Stimme angespannter wird, dass man sich zwischendrin bewusst wird die Stimme zu entspannen, den Atem wieder fließen zu lassen, den Kiefer locker zu lassen. Das ist auch eine ganz wichtige Baustelle für viele.

Dominik Josten: Schwierig. Also mir fiel das immer schwer.

Viola Bornmann: Das ist eine ganz einfache Sache, da kann man auch während des Sprechens einfach wirklich mal die Hände auf den Kiefer legen, da merkt man schon „da entspannt sich der Kiefer total“ und dann so weiter sprechen. Da merkt man auch „plötzlich fängt die Zunge an ganz anders zu arbeiten“. Zunge ist auch so ein Thema. Wenn wir schon dabei sind, man kann auch mal die Zunge beobachten. „Was macht meine Zunge? Ist meine Zunge eigentlich sehr angespannt?“. Zunge ist ein riesiges Thema beim Singen und beim Sprechen.

Diese Lebensmittel vor wichtigen Terminen besser vermeiden

Dominik Josten: Apropos Zunge, da musste ich eben an den berühmten Belag auf der Zunge denken je nachdem was man so gegessen oder getrunken hat. Ist das so ein Thema, gibt es da auch so einen Bereich, jetzt haben wir schon ein bisschen gesprochen über Übungen, die man machen kann, aber es gibt ja vielleicht auch so externe Einflussfaktoren wie bestimmte Lebensmittel oder bestimmte Getränke, die einen sehr ungewollten Effekt haben. Gibt es da so ein paar Tipps und Tricks, die du mitgeben kannst, wo man sagt „vermeide auf jeden Fall das“ oder „eine Stunde vor dem Vortrag eine Avocado pur, das hilft“?!

Viola Bornmann: Das hilft immer. Bei der Avocado weiß ich das jetzt nicht.

Dominik Josten: Keine Ahnung wieso mir jetzt die Avocado einfiel.

Viola Bornmann: Avocado ist auf jeden Fall sehr lecker. Grundsätzlich sind Rauchen und Alkohol nicht so gut, auch wenn man denkt oder es gibt ja den Mythos, dass Whiskey die Stimme schön sexy macht. Kennst du nicht?

Dominik Josten: Ich habe es noch nicht probiert, ich mag keinen Whiskey.

Viola Bornmann: Es funktioniert leider nicht. Das trocknet leider die Stimme aus. Was auch nicht so gut ist, sind Milchprodukte, Schokolade oder Milch, weil die die Stimme verschleimt. Das sollte man kurz vor dem Vortrag eher vermeiden. Genauso wie Nüsse, weil man sich daran einfach sehr leicht verschlucken kann und einen Hustenreiz auslösen kann.

Dominik Josten: Also kein Müsli kurz vor dem Vortrag?

Viola Bornmann: Lieber nicht. Und wenn man dann doch geraucht hat oder Alkohol getrunken hat oder wenn man einfach eine trockene Stimme hat, dann hilft es, in eine Zitrone zu beißen.

Dominik Josten: Ich hatte das heute Morgen auch. Also dann Zitrone zum Frühstück.

Viola Bornmann: Ja Zitrone ist super. Man kann auch, wenn man kurz vor dem Vortrag steht, das kennt man vielleicht auch, man hat einen super trockenen Hals, hat aber gerade keine Zitrone da, dann kann man auch einfach daran denken und dann regt das die Speichelproduktion an. Das hilft vielleicht auch wirklich, wenn man einen Frosch im Hals hat. Das kommt auch noch dazu. Dann kann man auch ohne etwas zu trinken oder eine Zitrone da zu haben einfach durch das daran denken, die Speichelproduktion anregen.

Dominik Josten: Wie ist das mit dem Büroklassiker, dem Kaffee? Gut, schlecht oder doch lieber Wasser? Wahrscheinlich Wasser immer noch besser als die Cola mit Kohlensäure?

Viola Bornmann: Cola mit Kohlensäure ist natürlich unpraktisch, weil man dann wahrscheinlich aufstoßen muss. Wasser ist super wichtig. Wenn man stimmliche Probleme hat auch warmer Tee, nicht zu heiß, nicht die eiskalte Cola, sondern viel Wasser. Kaffee wäre mir jetzt nicht bewusst.

Dominik Josten: Also schadet nicht, aber nutzt auch nichts. Das ist ja so der Klassiker im Büro, ich glaube der Kaffeekonsum im Büro ist exorbitant. Auf den braucht man nicht verzichten, das ist schon mal gut, aber halt nicht unbedingt die M&Ms dazu knabbern, sondern lieber die Zitrone. Im Büro hat man nicht unbedingt oft Zitronen rumliegen, aber wäre vielleicht für den ein oder anderen Vetriebler mal etwas, demnächst die Zitrone mit ins Reisegepäck zu packen. Neben dem Laptop und dem Presenter eine frische Zitrone.

Einfach mal in eine Zitrone beißen

Viola Bornmann

Bessere Stimmung durch Stimm-Teambuilding

Dominik Josten: Spontan ist mir noch eine Sache eingefallen, die habe ich kurz vor dem Gespräch auf deiner Seite gelesen und das interessiert mich jetzt doch nochmal und ich dachte ich frage einfach mal ungeplant dazu und zwar: Du hast geschrieben, du machst auch so Teambuilding-Events mit der Stimme. Was macht ihr da? Singt ihr zusammen oder sind es – ich hatte mal so etwas vor Jahren bei meinem früheren Arbeitgeber, auch eine Art Sprechtraining – aber da hat man im Prinzip so Teile von Märchen vorgelesen und zu üben, Stimmung in die Stimme zu bringen. Was machst du da oder wie sieht ein Teambuilding mit dir aus?

Viola Bornmann: Das ist ganz unterschiedlich und meistens sehr schön. Meistens singen wir, kann auch mal Sprache sein, wie du es gerade gesagt hast, dass man mal Texte macht oder schauspielerisch tätig ist, aber meistens geht es darum, über die (Sing-) Stimme wieder zu einem Team zusammenzuwachsen oder eben das Teamgefühl zu verstärken. Dazu gehört auch Texte schreiben, sich selbst einen Text zu schreiben für das eigene Unternehmen, dann nimmt man den Text und appliziert den auf einen Song, den es schon gibt oder man schreibt sogar einen eigenen Song und dann singt man den zusammen. Das ist schon erstaunlich, wie ich es vorhin schon gesagt habe, das ist so verbindend. Das ist ein verbindendes Element. Alle benutzen ihre Stimme, egal auf welcher Ebene man steht, wie man drauf ist und das ist verrückt, was das ausmacht, wenn alle zusammen singen und einen Klang erzeugen.

Dominik Josten: Das ist sowieso ein Phänomen. Jeder einzeln klingt grauselig, aber gemeinsam klingt es wieder schön.

Viola Bornmann: Es ist auch verrückt, wie laut plötzlich die Menschen gemeinsam werden, einzeln traut man sich nicht so ganz und wenn man dann im Team singt, die Leute hauen wirklich rein und ich glaube, dass die wenigsten danach heiser sind, weil man ist so drin und so körperlich dabei. Körperlichkeit ist ja auch ganz wichtig für die Kommunikation, dass danach die Stimmen gar nicht belastet sind, sondern sie sind einfach nur wie „high“.

Dominik Josten: Ist ja doch nicht so anstrengend, wie man zuerst vielleicht denkt, nur weil man es nie gemacht hat, man nutzt ja die Stimme sonst auch den ganzen Tag. Ich habe Tage teilweise, da habe ich gefühlt acht Stunden telefoniert am Ende.

Wie Haltung die Stimme beeinflusst

Dominik Josten: Apropos, du hast gerade die Körperlichkeit angesprochen bei der Stimme: Wenn man über das Telefon ein Feedbackgespräch führen muss als Personaler oder als Führungskraft mit einem Mitarbeiter, was für eine Körperhaltung / Position würdest du da empfehlen? Gemütlich sitzend auf der Couch oder stehend am Fenster? Gibt es da Unterschiede? Gibt es da etwas, wo du sagen würdest „das würde ich auf jeden Fall empfehlen und das vermeiden“?

Viola Bornmann: Ich glaube bei einem wichtigen Gespräch, auch wenn es am Telefon ist oder über Zoom, ist es doch schon wichtig, dass man sich in eine professionelle Haltung bringt. Also nicht im Schlafanzug noch im Bett liegt oder so, sondern wirklich vielleicht auch am Arbeitsplatz sitzt und körperlich kann man wirklich sagen, der Hals und Kehlkopf sind ja eingebettet von Kopf bis Bauch, d. h. all das wirkt sich auf die Muskulatur des Kehlkopfes aus, d. h. das Brustbein sollte aufgerichtet sein, der Kopf auch aufgerichtet, Schultern eher entspannt, sodass man wirklich dem Kehlkopf einen guten Support, einen guten Halt bietet und ob man dabei eher stehen möchte oder sitzen möchte, ist eigentlich jedem selbst überlassen. Da ist jeder ein bisschen anders. Das ist beides okay. Aber zusammengekauert auf der Couch ist meistens nicht so gut für die Stimme.

Dominik Josten: Das war auch die Frage, weil einerseits ist man in einer entspannten Stimmung, weil man so gemütlich auf der Couch sitzt und das fühlt sich vielleicht auch erstmal gut an, aber gleichzeitig sagst du „das lässt Ernsthaftigkeit vermissen“?

Viola Bornmann: Ich glaube, dass sich das vermittelt, auch über Telefon oder über Zoom, dass das Teil unserer Ausstrahlung ist. Ich meine damit auch nicht die Stimme angespannt, die Stimme sollte auf jeden Fall entspannt sein. Letztendlich ist das der springende Punkt, dass man der Stimme so viel Support von außen gibt körperlich, also mit Aufrichtung, dass die Stimme in der Mitte sich entspannen kann, dass die kleinen Muskeln sich entspannen können, wenn die großen Muskeln außen aufgerichtet sind. Das hört man auch in der Stimme.

Dominik Josten: Ich sehe gerade, wir haben die Zeit fast schon geschafft und ich fand es schon mal interessant, das ist ja schon eine ganz andere Welt, an die man so im normalen Büroalltag vielleicht nicht so denkt, man macht ein Kommunikationstraining, da lernt man wertschätzende Formulierung und aktives Zuhören und von Herausforderungen, anstatt von Problemen zu reden und was auch immer alle von uns schon gemacht haben, aber so bewusst sich auf die Stimme zu konzentrieren ist glaube ich noch selten und das kann man wirklich nur empfehlen. Ich werde mal einiges davon ausprobieren, vor allem das mit der Zitrone bei Gelegenheit, weil ich habe noch nie wirklich in eine Zitrone gebissen, außer wenn sie vorher in der Cola war. Vielleicht sollte man das mal machen. 

Ring- und Schildknorpel

Dominik Josten: Eins musst du mir zum Schluss aber noch kurz erklären, weil ich es schon in der Einleitung erwähnt habe: Was ist denn jetzt ein Ring- und ein Schildknorpel?

Viola Bornmann: Das kann man ganz schnell selbst rausfinden, ich weiß gar nicht, wie du drauf gekommen bist…

Dominik Josten: Stand auf deiner Website quasi als Kontrolle der Stimme und mit den anderen konnte ich etwas anfangen, aber der Unterscheid zwischen Ring- und Schildknorpel, da hattest du glaube ich verschiedene Komponenten der Stimme erwähnt, irgendwie Zunge, Lippen, Kehlkopf und dann eben diese beiden Knorpel.

Viola Bornmann: Interessant, ja. Das sind Knorpel des Kehlkopfes. Schildknorpel ist der Knorpel, wo der Adamsapfel hängt bei Männern. Das ist leicht zu erklären. Der Schildknorpel ist wie ein Schild und vorne am Schildknorpel sind die Stimmlippen befestigt, die dann schwingen, wenn wir anfangen zu singen oder zu sprechen. Schildknorpel ist der obere Knorpel des Kehlkopfes und unten drunter ist der Ringknorpel, der sitzt ein bisschen unten drunter, d. h. wenn man selbst mal den Hals mit den Fingern nach oben geht, der erste Knorpel, den man spürt, ist der Ringknorpel, wenn man noch ein bisschen weiter nach oben geht zum Adamsapfel, dann kommen wir zum Schildknorpel. Beide kann man unabhängig voneinander bewegen und beide verändern den Sound auf eine bestimmte Art und Weise. Hinter dem Adamsapfel sind unsere Stimmlippen, auch die Stimmbänder genannt, befestigt.

Dominik Josten: Ich weiß jetzt nicht, ob ich sie wirklich separat voneinander bewegen konnte.

Viola Bornmann: Das ist nicht ganz so einfach, das muss man schon lernen.

Dominik Josten: Dafür kommt man dann bei dir in den Workshop, wenn man sich dafür näher interessiert. Betrifft aber wahrscheinlich eher die Gesangsstimme oder ist das auch schon für die Sprechstimme wichtig?

Viola Bornmann: Das ist schon auch für die Sprechstimme wichtig, gerade der Ringknorpel ist für eine ganz klare und wenn man das Gefühl hat, man ist zu leise, dann bringt der Ringknorpel auf jeden Fall mehr Power, dann würde ich damit arbeiten.

Dominik Josten: Sehr spannend. Also ich werde bei Gelegenheit das nochmal nutzen und ein bisschen ausprobieren. Viola, ich finde das war ein sehr spannender Durchflug über das Thema Stimme und wer da entweder selber mehr zu machen will, weil er beispielsweise öffentlicher Redner ist oder einfach Spaß am Singen hat, soll sich bei dir melden, wir packen deine Kontaktdaten mal in die Shownotes. Du, Viola, ganz herzlichen Dank. Vielleicht gibt es noch ein Schlusswort von dir, was du den Leuten mitgeben willst bezüglich ihrer Stimme, so den ultimativen Schlusstipp, den du auch deinen Coachingklienten sozusagen zum Abschied noch mitgibst?

Viola Bornmann: Ne, ich finde es einfach nur total cool, dass es diesen Podcast hier gibt, weil für alle Leute auch klarer geworden ist in der letzten Zeit, wie wichtig eigentlich die Stimme ist und auch für eine gelungene Kommunikation, deswegen ist es auch super gut, die bewusst einsetzen zu können und kontrollieren zu können. Ich bin total dankbar, dass dieser Podcast die Möglichkeit gibt, da irgendwie überhaupt mal Bewusstsein für zu schaffen und freue mich total, dass wir darüber gesprochen haben.

Dominik Josten: Ich fand es auch sehr spannend und habe etwas mitgenommen und werde bei Gelegenheit mich da nochmal näher mit beschäftigen, weil zugegebenermaßen habe ich mich da vorher auch noch nie so im Detail mit auseinandergesetzt, aber das ist ein sehr spannendes Thema. Ich wünsche dir erstmal alles Gute weiter, es hat viel Spaß, ich wünsche dir ein schönes Wochenende und vielen Dank, bis bald.

Viola Bornmann: Bis dann, tschüss.

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