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Interview mit Eva Stock, HR-Expertin, Autorin, Bloggerin, Podcasterin
Alles wird immer schneller. Und digitaler. Schön und gut. Aber wie weit ist HR wirklich auf dem Weg vom „Verwaltungsapparat“ zum Impulsgeber? HR-Expertin Eva Stock, Co-Autorin von "HR True Story", im Interview.
Von Dominik Josten
Wie weit hat sich HR von der Supportfunktion schon emanzipiert? Was steht der weiteren Entwicklung im Weg? Wie ist es um das Personalwesen von heute bestellt?
Das Buch "HR True Story" hat echte Alltagsherausforderungen aus zahlreichen Personalabteilungen gesammelt und gibt Tipps, wie Sie sich vorbereiten und ähnliche Probleme vermeiden oder besser meistern können.
Im Interview erzählt Eva Stock, Co-Autorin von "HR True Story" sowie HR-Influencerin mit ihrem Blog "HR is not a crime", von ihren Eindrücken und Erfahrungen, wie es um deutsche HR Abteilungen bestellt ist. Über Generationswechsel, Führungskräfte und fehlenden Support durch Geschäftsführungen.
Über unseren Interview-Gast:
Eva Stock
Eva Stock ist gebürtige Rheinland-Pfälzerin im selbstgewählten Exil in Berlin. Seit ihrem Soziologiestudium arbeitet sie seit rund 8 Jahren im HR-Bereich. Heute ist sie Head of Business Relations bei Jobufo, einem innovativen Recruiting-Anbieter aus Berlin. Sie bloggt zudem auf hrisnotacrime.com über HR-Themen und ist Co-Autorin des Buchs „HR True Story“. Das Buch widmet sich den wahren Herausforderungen und Katastrophen der Personalarbeit und gibt Tipps wie man sie meistert. Werfen Sie hier einen Blick ins Buch!
HR kann mehr - Episode 07 - mit Eva Stock
Dominik Josten: Hallo und herzlich willkommen zurück hier im HR Heute Podcast. In dieser Folge geht es um Personaler und Personalarbeit. Das klingt jetzt vielleicht erstmal komisch, weil darum geht es doch irgendwie immer hier im Podcast, aber heute geht es auf einer Metaebene um das Thema. Man könnte auch sagen eine „state of HR“-Diskussion. Motto dieses Podcasts ist ja „HR kann mehr“ und das wirft ja irgendwo auch mal die Frage auf „mehr als was denn eigentlich?“ und genau damit wiederum hat sich mein heutiger Gast beschäftigt.
Sie hat mit einem Kollegen ein Buch geschrieben, indem sie echte Geschichten aus dem Personaleralltag gesammelt hat. Unter anderem darüber möchte ich mit ihr reden, vor allem auch, was sie aus der Recherche mitgenommen hat, wie sieht sie den Status Quo in hiesigen Personalabteilung und wo ist vielleicht dringender Nachholbedarf? Sie selbst ist Personalerin mit Leidenschaft, könnte man so sagen, auch wenn sie heute eigentlich gar keine mehr ist, denn die operative Tätigkeit hat sie hinter sich gelassen und arbeitet jetzt bei einem Berliner Startup im HR-Software-Thema. Doch der Angestelltenalltag war ihr ohnehin nie genug und so bestätigt sie sich auch als Bloggerin, Podcasterin, Rednerin und eben auch als Buchautorin. Wie sie das alles schafft, fragen sich so viele, dass sie die Frage nicht mehr hören kann, weil sie die Antwort gar nicht kennt. Sie macht halt einfach. Und genau das zeichnet sie wahrscheinlich aus. Ich begrüße ganz herzlich Eva Stock. Hallo Eva, ich freue mich sehr, dass Du da bist.
Eva Stock: Hallo. Vielen Dank für dieses nette Intro. Danke.
Dominik Josten: Ich habe ja gerade schon angesprochen, Du bist ein relativ umtriebiger Mensch, machst relativ viele Dinge. Wenn Du dich selber irgendwie mal vorstellen sollst, was sagst Du dann, was Du machst?
Eva Stock: Das ist schwierig. Ich sage einfach immer „ich arbeite im Personalbereich“, also wenn ich mich jetzt jemandem vorstelle, der gar nichts damit am Hut hat, kann sich darunter jemand was ungefähr vorstellen und dann sage ich „ich bin in einem Startup, das sich damit beschäftigt, dass Du dich besser bewerben kannst und dass dieser ganze Bewerbungsschmerz eliminiert wird, den man normalerweise so hat“ und dann macht es oft „Klick“ bei den Leuten, weil „Bewerbung, bewerben“, damit hat auf jeden Fall schon mal jeder zu tun. Dann kann man mich auch einordnen.
Dominik Josten: Du gehst da schon über Deinen offiziellen Angestelltenjob und nicht über die, fast schon ein bisschen Privatvergnügen-Themen, die Du sonst so machst mit Deinem Blog, Buch und Podcast. Da bist Du ja breiter aufgestellt als Recruiting?
Eva Stock: Das stimmt, aber ich würde jetzt nicht sagen „ich bin auch Podcasterin und Bloggerin“, weil ich mich darüber gar nicht definiere, sondern schon über die HR-Arbeit an sich. Das ist schon das Kernthema von mir und wenn mich dann Leute genauer fragen, dann erzähle ich das vielleicht mal. Oft ist es dann so, dass jemand anderes mal dazukommt und sagt „Eva hat auch ein Buch geschrieben“ und dann ist mir das eher manchmal peinlich und ich denke „oh Gott, jetzt muss ich irgendwas erzählen“. Genau.
Dominik Josten: Ja ich habe eine unsignierte Ausgabe hier. Schade, dass man gerade alles nur virtuell machen kann, sonst hätte ich das direkt mal machen lassen.
Die Entwicklung von HR
Dominik Josten: Was man sicher sagen kann, ist, dass das Thema HR in Deinem Leben eine große Rolle einnimmt. Deswegen würde mich mal interessieren: Wie nimmst Du das wahr? Du beschäftigst Dich seit vielen Jahren sehr intensiv damit. Erlebst Du eine Veränderung, eine Entwicklung? Ist es heute ein anderes HR als zu der Zeit, als Du angefangen hast, Dich damit zu beschäftigen?
Eva Stock: Natürlich hat sich viel verändert. Das Thema Offenheit im HR finde ich am eindrucksvollsten an der Stelle. Als ich angefangen habe, war der HR-Bereich so ein abgeschlossenes Ding. In vielen Unternehmen ist es auch heute noch so, da kommt man nur mit einem bestimmten Zugangsschlüssel bspw. rein, aber das ist schon diese „Geheimniskrämer-Stube“, wo geheime Entscheidungen getroffen als früher. Das hat sich auf jeden Fall sehr stark verändert, dass HR viel mehr in eine Kommunikatorenrolle geht, nicht nur ihr Süppchen hinter verschlossenen Türen kocht, sondern eben auch MitarbeiterInnen einbinden möchte, aber auch sehr stark das Management mit einbinden möchte, aber auch neue Ideen forciert und Treiber ist von Themen.
Dominik Josten: Okay, das ist ja erstmal positiv. Schön, dass Du zumindest schon mal das Gefühl hast „es geht in die richtige Richtung“.
Evas Mission mit hrisnotacrime.com
Dominik Josten: Mal kurz noch mal zu Deinem Blog. Den über mehrere Jahre zu betreiben, ohne dass das Teil eines direkten Jobs oder so ist, braucht ja auch einen gewissen eigenen Antrieb. Was motiviert Dich da immer wieder? Hast Du eine Mission, dass Du sagst „wenn ich das mit meinem Blog erreiche, dann hat sich das gelohnt“?
Eva Stock: Ja schon. Ich denke, wenn ich damit erreiche, dass jemand über ein Thema anders oder neu nachdenkt oder einfach einen Impuls daraus mitnimmt, das ist meine Mission. Ich möchte schon, deshalb mache ich das auch auf meinem Blog, Wissensvermittlung, die für den Leser oder die Leserin anstrengender ist. Ich sage mal so: Ich schreibe ja auch für den Firmenblog von uns, von Jobufo, und da gehe ich sehr auf die Wissensvermittlung, das ist dann mein Fokus, dass ich da sehr genau gucke „was kann ich da handlungsmäßig konkret rausarbeiten?“, dann gibt es da Paper und so. Beim Blog geht es mir schon darum, es ist ja das Schöne, es ist mein Blog und da lasse ich immer schon immer viel Meinung einfließen und da bin ich auch sehr klar oft in Themen. Da merkt man, es ist meine Meinung, das bin ich. Ich schreibe nicht ein Thema, damit ich es geschrieben habe, sondern damit ich irgendwas von mir da reingeben konnte. Das macht diesen Blog schon aus und es ist vielleicht mein Antrieb, dass ich es irgendwie schaffen möchte, jemand anderen zu begeistern oder auf neue Gedanken zu bringen.
Dominik Josten: Ich finde das merkt man auch. Das war auch eines der Gründe, warum ich mich sehr gerne mal näher mit Dir austauschen wollte, weil das ist durchaus spürbar. Ich finde gerade die Leidenschaft für das Mehr in der Personalarbeit das fehlt vielen oder fehlt oft. Oft ist es ein bisschen, ich will nicht sagen „Dienst nach Vorschrift“, aber halt schon dieser „Sachbearbeiter-Mindset“, der immer noch verbreitet ist. Klappt auf jeden Fall, was Du vorhast mit Deinem Blog.
HR als Spiegel der Gesellschaft
Dominik Josten: Lass uns doch mal über Dein bzw. Euer Buch sprechen, das Du mit dem Jannis Tsalikis geschrieben hast, heißt „HR true story“ und Ihr habt da ja eine ganze Reihe von Geschichten aus dem HR-Alltag zusammengetragen, solche mit denen Personaler mehr oder weniger unverschuldet konfrontiert werden, aber durchaus auch einige von, ich sage mal „mit ein bisschen hausgemachten Problemen“ der Unternehmen. Wenn Du jetzt mal die Inhalte mit etwas Abstand betrachtest, hast Du für Dich bestimmte Muster in den Geschichten erkannt, wo Du vielleicht irgendwann mal gedacht hast „okay, die Geschichte ist neu, aber es passt schon irgendwie ins Bild von deutschen Personalabteilungen“?
Eva Stock: Ich finde ein großes Muster oder ein großes Bild hat sich ergeben auch im Nachgang, dass jedes Unternehmen auch ein Abbild der Gesellschaft ist, dass es dort ganz unterschiedliche Themen gibt, die doch wieder gleich sind. Vom Startup bis zum großen Unternehmen treffen sich dort die Themen sozusagen doch schon wieder und oft auch in der Personalabteilung. Es arbeiten dort Menschen, die habe ihre eigenen Probleme, ihre eigenen Themen, die sie mal mehr oder weniger gut mit einbringen in das Unternehmen und oft landen die bei HR. Das ist sozusagen etwas, was mir dort auch beim Schreiben deutlich wurde, wie dringend die PersonalerInnen über dieses Thema reden wollten und dann der eine oder die andere sagte „ja, das ist mir auch schon passiert und bei uns war das so und so“, das ist auf jeden Fall das große Bild, was mir da gezeigt hat, dass jeder seine Themen mit ins Unternehmen bringt. Das ist mal schön und mal weniger schön.
Dominik Josten: Das ist unbestritten so, dass Personaler sicherlich auch mit vielen Schattenseiten zu tun haben, das ist unbestritten so. Das ist in dem Buch ja auch mehr als deutlich. Ich habe ja selber auch im Personal angefangen und es auch schon erlebt, dass jemand alkoholisiert durch die Fertigung lief und da rumgegrölt hat. Da muss man mit umgehen und dann wird auch tatsächlich erstmal Personal gerufen. Wenn es Sicherheitsdienste nicht gibt, dann irgendwie Personal, die das, wie auch immer, lösen sollen.
HR in einem Wort
Dominik Josten: Wenn Du jetzt mal an Personalarbeit denkst, die auch in dem Buch rauskommt, wirklich was die HR-ler dann gemacht haben und auch vielleicht auch an die Praxisbeispiele denkst, die es vielleicht nicht in das Buch geschafft haben. Was sind so die ersten Begriffe, die Dir so spontan einfallen zu Personalarbeit?
Eva Stock: Ja ich würde sagen „unvorhersehbar“, das auf jeden Fall, weil man weiß eigentlich nie was passiert an dem Tag, wenn man ins Büro geht im Normalfall. Aber auch „Empathie“, dass es ein wichtiges Feature ist, was HR einfach braucht. In allen Themen auch in diesem Buch, auch die es nicht hereingeschafft haben, wäre Empathie so ein Schlüsselthema. Zeitgleich auch „Resilienz“, diese Gabe, auch in Situationen, die schwierig sind, einen kühlen Kopf zu bewahren und sich davon nicht aus der Bahn werfen zu lassen und auf jeden Fall „Anpassbarkeit“. Dadurch, dass man eben sehr schnell in sehr viele Situationen reingeworfen werden kann, muss man eben auch schnell entscheiden. Also „Anpassbarkeit / Entscheidungsfreudigkeit“, würde ich es nennen. Wenn man die hat im HR, dann kann einen eigentlich fast nichts umhauen.
Reagiert HR mehr als zu agieren?
Dominik Josten: Was mich interessiert oder was mich überrascht hat, fast alle Beispiele, soweit ich es wahrgenommen habe, da ist HR in der reagierenden Rolle. Es passiert irgendwas, ob jemand, der etwas geklaut hat, oder irgendwo ein Chef nicht zu erreichen ist für eine Abfindungsfreigabe oder was auch immer, HR immer reagiert immer an der Stelle. Jetzt hast Du ja eben gesagt, du nimmst HR schon zunehmend gestaltend wahr. Gibt es zwei Arten von Personalarbeit, die irgendwie beides sein müssen oder war es auch Absicht, die gestaltenden Herausforderungen nicht im Buch vorkommen zu lassen oder wenig? Bspw. Fragen wie „wie verändere ich eine Unternehmenskultur?“ oder sowas?
Eva Stock: Also wir haben ja auch ExpertInnen zu Wort kommen lassen und da geht es schon auch drum, dass sie das einordnen und sagen „was kann ich kulturell tun, um diese Themen von vornherein zu vermeiden?“ oder dann eben in einer hektischen, reagierenden Position zu sein, sondern das schon präventiv einzubetten in eine Unternehmenskultur, die auch allen bewusst und bekannt ist im Unternehmen. Das haben wir schon gemacht. Aber klar, wir wollten sozusagen dieses Buch genauso schreiben wie die Stimmung war in diesem HR-BarCamp, das war so ein Schlüsselmoment. Ich war auch in der Session, man hat gemerkt „das Buch muss so geschrieben werden, wie es geschrieben wurde“, aber uns war wichtig, dass es jetzt nicht so ein Reißerbuch wird, wo man sagt „hast du diese Story gelesen?“, natürlich sagt man das vielleicht. Dass man daraus etwas mitnimmt, war uns schon sehr wichtig, dass es nicht nur um die Sensation geht, sondern am Ende auch darum „was kann ich daraus jetzt lernen und wie kann ich sozusagen für mich vermeiden diesen Fehler zu tun oder schon besser vorbereitet zu sein?“ und dann geht es voll rein in diese Gestalterrolle. Ich hoffe, dass wir auch eine Anregung geben konnten für den ein oder die andere, dass da irgendwie eine Gestaltung passiert im Vorfeld.
Dominik Josten: Dass es einem gar nicht passiert, dass einem die Katastrophen selber erspart bleiben quasi.
Eva Stock: Ja, ich glaube einem können gar nicht immer alle erspart bleiben im HR, aber man kann ja gut reagieren oder vorausschauen, sich Pläne überlegt haben, wie man mit so einer Situation umgeht.
Dominik Josten: Wenn Du sagst „es war so die Stimmung im BarCamp“, dann lässt es ja so ein bisschen vermuten, dass im BarCamp schon eher so eine, ich will jetzt nicht sagen „Beschwerdestimmung“ war, aber es war wahrscheinlich schon so ein gemeinsames „wir teilen mal unsere Probleme“. Worauf ich hinauswollte, mein Eindruck war, die meisten Probleme, die die HR-ler geschildert haben offenbar ja auch, sind eben so ein bisschen reaktive Probleme. Das sind Dinge, mit denen sie konfrontiert werden und war das auch im BarCamp schon so, dass wenig Themen da waren, wo man gesagt hat „ich habe keinen von außen kommenden Anlass, etwas zu tun, aber ich möchte gerne von mir aus eine innovativere Unternehmenskultur schaffen und ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll. Ich komme da nicht weiter“. Waren das gar nicht so die Themen? Hattest Du das Gefühl, die Personaler sind dann schon eher auf die in Masse vorhandenen Probleme des Alltages fokussiert?
Eva Stock: Man muss ja fair sagen, weil in der Session ging es nur darum. Es ging darum, dass Leute Vorschläge gemacht haben „wie sind wir damit umgegangen? Was haben wir da für Abteilungen getroffen? Was könnt ihr da mitnehmen?“. Es gab in diesem BarCamp auch andere Sessions, wo es genau darum ging, Unternehmenskultur gestalten „wie kann ich das schaffen? Wie kann so ein Ablauf sein?“. Das ist ja nur ein kleiner Einblick, sozusagen ein Brennglas in eine Session. Ich kann sagen, dass gerade auf dem BarCamp, da kann man sagen „da gehen ja eh nur die hin, die Lust haben auf eine innovative Geschichte“, aber da merkt man schon „die Themen sind ganz vielfältig“ und ich würde nicht sagen, dass da kein Interesse daran bestand, sich da auch auszutauschen, „was wurden da auch für größere Themen davon abgeleitet und wie kann ich das jetzt für mich einsetzen? Was kann ich tun?“. Gerade das Thema „Code of Conduct“, ein kleines Verhaltensbuch, ein kleines Kulturbuch „wie wollen wir uns im Unternehmen gegenseitig wertschätzen? Was ist für uns überhaupt wertschätzendes Verhalten? Was sind Sachen, die wir nicht tolerieren möchten?“. Da kamen dann schon auch diese Gespräche auf.
Dominik Josten: Also liegt es eher an der Session? Das war zufällig die Session, in der es quasi um Beschwerden ging?!
Eva Stock: Genau, „HR Nähkästchen“ hieß das und da ging es konkret um diese Themen, die man nicht so gerne anspricht, das Ziel aber von Jannis, der sich diese Session ausgedacht hat, war von Anfang an Lösungsempfehlungen zu geben und sich auszutauschen „wie bist du damit umgegangen?“, sodass aber auch andere zuhören können und sagen können „das hatte ich noch nicht, aber wenn es kommt…“. Ich glaube gerade jetzt ist HR in einer riesen Funktion der Unternehmenskultur, durch Remote Work, auch das Thema Rassismus, was jetzt gerade wieder ganz im Fokus steht. Auch ein bisschen strange, dass es vor allem durch Amerika, durch die Ereignisse dort jetzt im Fokus steht, weil eigentlich gab es in Deutschland auch genug Anlässe, wo man nochmal hätte ran müssen, gerade wenn man mal auf LinkedIn ist, zumindest in meiner bubble wird man da geflutet von diversity-Themen. Man merkt, da ist HR dran und das ist denen nicht egal und das ist in der Funktion wichtig, eine zentrale Rolle im Unternehmen einzunehmen, die über das hinausgeht, was eher so die „Verwalterrichtung“ ist.
Dominik Josten: Das freut mich, dass Du es auch so annimmst, weil ich hoffe, dass es sich dahinentwickelt. Ich denke immer, HR ist viel zu wichtig, um sich auf eine Support-Funktion zu reduzieren. Es beeinflusst ja das größte Kapital in jedem Unternehmen und wenn man das mal vergleicht, wie viel da relativ bezogen zu investiert wird, ist das oft wenig.
Wird HR vom Management gebremst?
Dominik Josten: Hast Du das Gefühl, Du hast gesagt „HR-ler wollen auf jeden Fall“ und haben die richtigen, oder zumindest die, die sich in auch an solchen BarCamps beteiligen, wie nimmst Du das wahr, wie ist der Support auf Geschäftsführungsebene? Ist das auch inzwischen angekommen, dass HR-Themen wichtig sind oder sind das oft eher so Lippenbekenntnisse, die dann genau bis zur Investitionsentscheidung reichen?
Eva Stock: Ja Du hast es eigentlich schon gesagt, wie mein Eindruck leider immer noch ist. Ich sage nicht, dass das bei allen so ist. Ich glaube, wir sind jetzt an so einem Generation-Scheideweg tatsächlich. Ich bin auch Mentorin an der HHL Leipzig und gucke mir da an, was für neue Unternehmen wurden dort gegründet gemeinsam mit unserem Gründer und man merkt schon, die jungen Gründerinnen und Gründer machen sich ganz andere Gedanken zu ihrem Personal. Etwas, was absolutes No-Go war vor vier Jahren, dass du Investoren erzählst „übrigens, wir planen für unsere Belegschaft nur eine 4-Tage-Woche“, das trauen die sich jetzt zu sagen. Es zweifelt auch nicht so schnell jemand nochmal an. Man merkt schon, es ist eine ganz andere Herangehensweise an das Thema „Arbeitswelt“ und das merke ich auch bei jungen HR-KollegInnen, die hinterfragen mehr. Die fragen sich „warum muss das so sein?“, die kommen mit einem anderen Blick rein. Auch sie gucken anders auf die Unternehmen drauf, bevor sie sich entscheiden „zu wem gehe ich? Wo unterschreibe ich meinen Vertrag?“. Ich hätte am Anfang meiner Karriere nicht gefragt „was tun Sie hier eigentlich im Bereich Umweltschutz oder was ist meine Karriereoption als Frau in diesem Unternehmen? Wie ist Ihre Frauenquote?“. Das sind Fragen, die hätte ich gar nicht gestellt, aber die sind richtig und wichtig zu stellen. Aber damals war überhaupt nicht die Zeit dazu. Im Sinne von, ich konnte froh sein, dass ich zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde und dass mir ein Arbeitsvertrag vorgelegt wurde, ich durfte das Team kennenlernen und da habe ich schon gemerkt „das ist ja auch schon ein Privileg“, weil das viele meiner Studienkolleginnen oder auch Freundinnen überhaupt nicht hatten, dass die irgendwie das Team kennenlernen durften. Die haben irgendwie blind was unterschrieben. Das ist ja nur zehn Jahre her und ich fühle mich manchmal echt schon wie eine Oma, weil ich denke „krass“. Es war nicht so, dass es mich nicht damals schon interessiert hätte als junger Mensch, der einsteigt in einen Job, aber ich hätte mich niemals getraut, das so zu formulieren.
Dominik Josten: Ich erlebe auch, dass gerade die jungen Leute, die wollen und die laufen eher gegen Wände bei Geschäftsführern, die dann…ich glaube man muss als Geschäftsführer ein bisschen ein Zahlenmensch sein, um valide Entscheidungen treffen zu können und dann fällt es einem immer schwer so weiche Dinge wie HR, Kultur. Motivation kann man halt nicht messen. Eine Mehrleistung durch motivierte Mitarbeiter ist halt ebenfalls schwer zu messen, weil es passieren ja auch immer so viele andere Dinge auch.
Das Problem Führungskraft
Dominik Josten: Was mir so ein paar Mal aufgefallen ist in dem Buch, ohne dass es jetzt so ganz expliziert diskutiert wird außer in einem Kapitel dazu. Oft hat man so das Gefühl „mit guten, starken Führungskräften wäre das vielleicht auch anders gelaufen“. Ist das auch ein Thema, was Du so wahrgenommen hast, dass die Führungsqualität oder die Qualität von Führungskräften oft ein Problem ist?
Eva Stock: Ja auf jeden Fall. Da sitzen auch ein Großkonzern und auch ein kleines Startup im gleichen Boot. Der Großkonzern hat die Programme, der hat Führungskräfte-Entwicklungsprogramme, der hat Auswahlverfahren, die vielleicht ein Startup oder ein kleines Unternehmen nicht hat. Das sagt aber lange noch nichts aus, ob hinten eine qualitativ gute Führungskraft herauskommt. Natürlich ist es auch eine Umgebungsfrage, also welchen Typ brauche ich, was setze ich voraus an meinen Führungskräften, wie ist so mein Bild einer guten Führungskraft im Unternehmen. Ich erlebe es noch sehr oft aus den Erzählungen der KollegInnen, wenn man etwas vom Fachbereich möchte, lange kratzen muss an der Tür und immer wieder nachdrücken muss, aber wenn der Fachbereich etwas von einem will, dann muss es ganz schnell und dann soll alles am besten schon gestern passiert sein und dann wird es auch ein bisschen rauer im Umgangston. Da sage ich halt „das ist ein Problem in Deutschland“, dass eine Führungskraft per se, ich weiß nicht, ob es eine Generationenfrage ist, aber es ist natürlich auch die Frage „in welchem Unternehmen habe ich vorher gearbeitet, wie war da meine Erfahrung mit HR, hatte ich da Support oder war das nur die Verwalterrolle, wo ich etwas abgeladen habe und dann haben die was gemacht, aber ansonsten kam nicht viel von der Abteilung?“, das ist natürlich auch eine Frage „wie hat das jemand vorher wahrgenommen?“, aber HR muss sich da sozusagen auch positionieren und sagen „ich kann es nicht alleine machen, ich brauche Führungskräfte, die mich dabei unterstützen“, aber wenn ihr das tut, das ist ja immer ein Tauschgeschäft, das ist ja wie bei jedem Gefallen, den man in der Arbeit möchte, ich kann nur jemanden begeistern, wenn ich ihm auch sage „du hast was davon“, nämlich indem dein Team besser läuft, indem eure Kommunikation besser läuft, indem ihr insgesamt tollere MitarbeiterInnen anziehen könnt. Da tut sich HR oft noch schwer, diese Dinge gut zu vermarkten, um die Führungskräfte da auch mit reinzunehmen. Und wenn dann eben die Führungskraft sagt „ne sorry, da habe ich überhaupt keinen Bock drauf“, dann muss ein Management, wenn es eine hierarchische Struktur ist, auch sagen „wollen wir das oder wollen wir das nicht?“.
Dominik Josten: Ja, Konsequenz. Das ist das, was ich ganz oft erlebe, dass die Konsequenz am Ende fehlt. Man hat dann zwar diese Kriterien, die Du eben sagtest, die Programme für Führungsentwicklung, man nimmt dann am Ende aber dann doch den Top-Ingenieur, der sagt er geht sonst oder den, der am lautesten schreit und sagt „ich brauche jetzt endlich ein Team, ich will Teamverantwortung, Personalverantwortung, sonst suche ich mir was neues“ und dann werden die auch mal außer Kraft gesetzt.
Eva Stock: Genau, ich habe ein Beispiel, das ist mir gerade so eingefallen, das fand ich eigentlich einen coolen Satz, da hat eine neue Führungskraft in einem Trainingsprogramm gesagt an einem Abend irgendwie, wo jemand noch von Compliance da war und auch von der Unternehmens- oder Führungskultur ein Beauftragter, die hatte gefragt „Entschuldigung, aber was muss ich hier eigentlich tun als Führungskraft, um gefeuert zu werden?“. War natürlich eine provokante Frage, aber darauf gab es keine Antwort. Eigentlich muss es darauf aber auch eine Antwort geben. Die Antwort ist „wenn du nicht kooperativ bist, dies, das, jenes, dann bist du für uns sozusagen nicht mehr an der Stelle richtig und dann müssen wir uns auch von dir trennen“.
Dominik Josten: Eine Anekdote dazu ist, ich hatte mal einen Chef, der es beim Jahresgespräch für ausreichend hielt, in das Tool reinzuschreiben „Dominik hatte ein gutes Jahr“. Das war sein Statement.
Eva Stock: Und war das so Dominik?
Dominik Josten: Es war so, er hat dazu dann auch einen guten Bonus gegeben und aus seiner Sicht war alles damit gesagt, so ungefähr. Das ist natürlich nicht das Niveau eines Feedbackgesprächs und das muss man als Führungskraft irgendwo vermitteln.
Eva Stock: Man muss natürlich auch sagen, Du hast das Thema Führungsgespräch ja aufgebracht oder Feedbackgespräche, da gibt es natürlich auch noch viel Nachholbedarf. Ich habe Dich ja gerade gefragt „war es ein gutes Jahr?“ und Du hast „ja“ gesagt.
Dominik Josten: Es war natürlich komplexer, aber es war natürlich in der Beratungszeit, es war so ein typischer Zahlenmanager, ich war damals noch selber in der Beratung und für den ist ein gutes Jahr eine Auslastungsfrage, da hatten wir viele Projekte gehabt, weil er so im Alltag ja nichts mitbekommt. Aber es ihm dann auch zu anstrengend, da ein Detail rauszufinden. Er guckte auf die Zahlen, sieht irgendwie „180 sind vorgegeben, 260 stehen auf der Kartei“, alles gut und das ist natürlich eine Reduzierung, das hat ja mit Feedback nichts zu tun. Das ist eine Gehalts-Berechnungskennzahl oder sowas. Wenn ich so ein bisschen auf die Zeit gucke, dass wir vielleicht auch langsam Richtung Ende kommen.
Die dinglichsten HR Probleme
Dominik Josten: Wenn Du jetzt mal mit Personalern oder Geschäftsführern reden könntest und denen versuchen solltest zu vermitteln, was so das dringlichste Problem im HR ist und warum es auch für den Geschäftsführer wichtig ist, seine Personaler darin zu unterstützen, das umzusetzen. Gäbe es da so ein, zwei, drei, von denen Du sagst „das sind die wichtigsten Themen im Moment“?
Eva Stock: Klar, also gute Tools zu haben im HR, da muss Geschäftsführung Geld bereitstellen, das ist so. Warum sollte eine Geschäftsführung das tun? Punkt 1: Dadurch wird die Arbeit im HR effizienter und am Ende ist es für ihn natürlich Geld wert wieder, weil Prozesse schneller sind, Stellen bleiben nicht so lange unbesetzt etc. pp. Mit einem guten Personalsystem, was jetzt nicht nur Recruiting macht, kann man natürlich auch andere Probleme herauslesen, bspw. das Thema „wie ist unsere Fluktuation? Ist das besonders auffällig in einigen Bereichen, müssen wir irgendwo gegensteuern?“, also dass die ganzen Zahlen-Daten-Basis, auf denen eine Geschäftsführung zu stehen hat, die kann man dann damit auch sichtbar und nutzbar machen. Als Beispiel, warum es sich lohnt nachzufragen „warum geht jemand?“, Gespräche zu führen, die erstmal Zeit kosten, die ein Zeitfaktor sind auch für HR, aber wenn ich daraus lese „alle sind super unzufrieden mit dem Gehalt“, dann kann ich da z. B. tiefer reingehen, bevor mir alle Leute sagen „Tschüssikowski, ich habe übrigens ein besseres Angebot“. Dann muss HR auch wieder Hausaufgaben machen, Research machen und das alles schön aufbereiten. Gute Personalsysteme helfen einem auch dabei, dass alles immer top aussieht. Da muss das Management das auch mit einkalkulieren als GeschäftsführerIn, dass dieses Handwerk etwas kostet und dass es das nicht umsonst gibt und auch nicht für nebenbei.
Dominik Josten: Ja dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Du hast vollkommen Recht, HR ist ein Handwerk und ein Handwerk braucht auch gutes Handwerkszeug, um erfolgreich zu sein und dazu gehört sicherlich unbestritten heutzutage auch eine moderne HR-Software. Nun gut, Eva, ich danke Dir erstmal ganz herzlich für die Zeit und für die Einblicke. Du hast eine positive Bestandsaufnahme grundsätzlich gemacht. HR ist auf einem guten Weg, aber es gibt immer noch einiges zu tun und gerade auch für die Geschäftsführer da draußen, wichtig wahrzunehmen, mit HR oder wenn Sie Ihre Personaler oder Personalabteilungen auch mal machen lassen jenseits von Supportarbeiten, jenseits vom Reaktiven, dann könnte man damit auch eine ganze Menge noch mehr erreichen. Das habe ich auch so ein bisschen auch als Dein Fazit mitgenommen. Würdest Du dem zustimmen?
Eva Stock: Da würde ich zustimmen, Dominik.
Dominik Josten: Das ist sehr schön. Ja Eva, dann danke ich Dir ganz herzlich für die Zeit und das Gespräch. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht, war sehr interessant, wünsche Dir jetzt erstmal noch einen wunderschönen Nachmittag und würde mich freuen, vielleicht mal irgendwann wieder uns austauschen zu können zu einem anderen Thema.
Eva Stock: Ja vielen Dank. Würde mich auch sehr freuen und das wünsche ich Dir natürlich auch, dass Du noch einen schönen Tag hast.
Dominik Josten: Danke Dir, mach es gut, bis dann.
Eva Stock: Tschüss.
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