Hip und Grün: Nachhaltigkeit bei der Arbeitgeberwahl?
Von Savina Schlichte · 4 Minuten Lesezeit
BewerberInnen fragen verstärkt nach Themen wie Nachhaltigkeit und Social Responsibility des Arbeitgebers. Wir haben uns umgehört und Stimmen gesammelt.
Dass die Nachhaltigkeitsthematik immer relevanter wird, ist eigentlich in Zeiten von Klimakrise und zunehmendem Bewusstsein durch Demonstrationen wie Fridays for Future und dem Green Deal der EU nicht verwunderlich: Immer mehr junge Menschen fragen gezielt bei Vorstellungsgesprächen nach dem Beitrag des Unternehmens zu Nachhaltigkeit & Social Responsibility.
Typische Themen betreffen die Nachhaltigkeit bei Geschäftsreisen (wird Zugfahren gefördert?) sowie die Frage nach bezahltem Urlaub für das Engagement bei sozialen Projekten.
Umweltbewusstsein und soziales Handeln sind zunehmend wichtige Kriterien bei der Auswahl des Arbeitgebers. Das zeigt sich auch bei kleineren Anfragen - ökonomischeres Wirtschaften in der Kantine und nachhaltiger Verbrauch von Arbeitsmaterialien wird nachgefragt oder sogar aktiv eingefordert.
Interessant dabei ist, dass die "alten Werte" wie Tradition und Historie eines Unternehmens egal sind. Das Tun in der Gegenwart ist wichtiger für die jungen BewerberInnen. Dazu gehört auch, dass die Arbeit sinnvoll und sinnstiftend ist.
All das ist ein guter Grund, die eigene Position zu überdenken. Wie sehen wir das ganz persönlich?
Daniel, 24 Jahre, ehrenamtlich & beruflich sehr engagiert:
"Aus meiner Sicht ist es eigentlich einfach, sich auch als Unternehmen in die Gesellschaft positiv einzubringen. Dabei geht es für mich um keine tiefgreifende politische Positionierung, sondern um Unterstützung des gemeinsamen Miteinanders. Und vor allem geht es um Glaubwürdigkeit und Authentizität. Wenn Greenwashing-Aktionen nur für die eigene Imageverbesserung geschehen und dies publik wird, ist der Schaden groß. Ob ich mich danach bei solch einem Unternehmen bewerben würde? Äußerst unwahrscheinlich – egal, was für tolle Versprechungen auch gemacht würden. Denn es muss nicht nur viel versprochen, sondern auch nach diesen Maßstäben gehandelt werden. Soziale Ziele auf dem Papier sind nichts wert, wenn sie nicht gelebt werden.
Daher ist für mich das Leben von Corporate Social Responsability (CSR) ein wichtiger Faktor auf der Suche nach dem passenden Arbeitgeber, wo ich mich schließlich mit 40 Stunden pro Woche - also dem Großteil meiner Zeit - einbringe. So überzeugen mich persönlich vor allem authentische Aktionen wie beispielsweise Unternehmenstage für gemeinsames soziales Engagement, die Teilnahme an Cristopher Street Days oder auch die Förderung von unternehmensexternem Ehrenamt.
Ein attraktiver Arbeitgeber hat in meinen Augen sogar die Pflicht, hier tätig zu werden. Die momentanen gesellschaftlichen Diskussionen zum Klimaschutz sind zu einschneidend, als dass Unternehmen sich davon fern halten können.
Daniel, 24 Jahre
Ein attraktiver Arbeitgeber hat in meinen Augen sogar die Pflicht, hier tätig zu werden und Haltung einzunehmen. Die momentanen gesellschaftlichen Diskussionen um z.B. Klimawandel und Klimaschutz sind zu einschneidend, als dass Unternehmen sich davon fern halten könnten.
In der Rolle als Bewerber erwarte ich dies und stelle gerne Fragen nach gelebten Werten und eben diesen nachhaltigen Aktionen in den Bewerbungsgesprächen. Denn wenn es in solchen Auswahlgesprächen immer häufiger nicht nur um den fachlichen, sondern auch persönlichen Fit zwischen Bewerber und Interviewer geht, dann frage ich mich, wieso diese Passung nicht auch auf den privaten Kontext im Rahmen von Ehrenamt und Weltanschauung erweitert werden sollte? Für mich geht es nicht nur um meine Soft Skills und wie ich sie am besten ins Unternehmen einbringen kann. Sondern auch wie ich meine Interessen und Werte sowie mein privates Engagement mit meiner Tätigkeit im Unternehmen verbinden und verwirklichen kann.
Für mich ist es daher sehr wichtig, nicht nur meine Persönlichkeit ins Unternehmen mit einzubringen, sondern sie auch ausleben zu können. Steht mein privates Engagement also im Einklang mit dem Arbeitsleben und wird sogar gefördert, so fühle ich mich akzeptierter und motivierter. Und das hilft wiederum dem Unternehmen – eine Win-Win-Situation."
Tanja, 30 Jahre alt, tätig im Bereich CRM bei einer Fair Fashion Marke:
"In den letzten Jahren meines Berufslebens habe ich einige Firmen kennenlernen dürfen, auch durch meine Beratertätigkeit bedingt. Ich sehe auch, dass dieses Thema immer mehr in den Fokus rückt und auch im Marketing und im Bereich Branding eine wichtige Rolle spielt. Ich bin die letzten Jahre beruflich viel geflogen. Das war trotz Homeoffice Optionen & BahnCard 100 von der Firma manchmal nicht anders machbar. Das will ich in meinem aktuellen Job kompensieren. Meine Chefs fahren Elektroautos. Das finde ich toll!
Neben den Themen, die die Umwelt betreffen, war mir bei der Wahl meines nächsten Arbeitgebers wichtig auch eine sinnvolle Aufgabe mit Mehrwert zu haben, die etwas Neues bzw. Nachhaltiges schafft. Durch meine Vollzeitstelle verbringe ich rund 2/3 meiner Zeit direkt oder indirekt mit meiner Arbeit, deshalb ist es mir hier wichtig etwas Sinnstiftendes zu machen. Das ist in einigen Berufen schon mal direkter vorgegeben, wie beispielsweise in medizinischen Berufen, aber ich bin dennoch überzeugt, dass das aus jeder Arbeit rauszuholen ist.
Meine Wahl fiel deshalb auf meinen jetzigen Arbeitgeber und war für mich sehr konsequent. Hier ist sowohl der Unternehmenszweck als auch alles dahinter bio & fair und nachhaltig ausgelegt. Das fängt an bei einer ökologischen Ladenausstattung, einer Second Hand Büroausstattung, Grünem Strom, nachhaltigen Verpackungen (reused Kartons) für den Versand unserer Ware, einer ethischen Bank im Hintergrund, recyclingfähigen Materialien, und eben unseren verkauften Produkten, hinter denen ich stehe, da diese nachhaltig & fair sind und für die ich es liebe, Marketing zu machen."
Josy, 32 Jahre, tätig im Marketing bei einem Telekommunikationsanbieter:
"Ich habe vor zehn Jahren meine Bachelorarbeit über dieses Thema geschrieben. Damals war das ein Nischengebiet und aus Arbeitgebersicht der Kategorie „Nice to have“ zuzuordnen. Mittlerweile rückt es immer mehr in den Fokus und wird zunehmend zum Wettbewerbsvorteil im Kampf um neue Talente der jungen Generation.
Mir persönlich ist es auch wichtig, dass mein Arbeitgeber über den Tellerrand hinausschaut. Jobtickets anbietet, auch wenn ich diese aufgrund meines Wohnorts leider nicht in Anspruch nehmen kann. Wir arbeiten viel mit Skype, somit muss ich außer zum Büro oder zu Messen (dann meistens mit der Bahn) sonst nirgends hin. Beim Einkauf von Werbe- und Büromitteln und sämtlichen Ausstattungsgegenständen legt mein jetziges Unternehmen viel Wert darauf, dass es unter fairen & nachhaltigen Bedingungen hergestellt wurde. Auch das Essen in unserer Kantine ist vorwiegend regional, vegetarisch und bio, dass finde ich super!
Nachhaltigkeit beginnt aber für mich auch schon bei Dingen wie der Raumausstattung: Wird diese ergonomischen Anforderungen gerecht? Oder wird Integration gelebt? Oder gibt es eine langfristige Personalentwicklung? Von medienwirksamen Ad hoc-Greenwashing-Aktionen halte ich nichts."
Savina, 37 Jahre, ca. 30.000 km pro Jahr geschäftlich unterwegs, wohnhaft im "Ländlichen":
"Für mich ist das Thema weder schwarz noch weiß - sondern grau. Natürlich würde ich gerne weniger reisen und damit die Umwelt weniger belasten. Ich fahre sehr viel mit meinem Firmenwagen, manchmal mit dem Zug und fliege auch des öfteren. Geht auch weniger? Vielleicht, aber schnell bei den Terminen zu sein und nicht jedes Mal mehrere Nächte im Hotel zu verbringen ist mir auch wichtig. Denn Freizeit habe ich weder im Auto noch im Zug. Für mich könnte aber noch mehr das Zug fahren, z. B. mit einer BahnCard 100, belohnt werden oder ein monetärer Ausgleich für diejenigen gezahlt werden, die auf einen Firmenwagen verzichten.
Generell versuchen wir aber immer, unsere Termine virtuell mit Skype oder Microsoft Teams abzuhalten, um allen mehr Freizeit und einen pünktlichen Feierabend mit der Familie zu ermöglichen. Das schätze ich auch sehr, denn ich weiß, dass es nicht überall selbstverständlich ist."
3 Tipps für die richtige Kommunikation über Nachhaltigkeit & Social Responsibility in Ihrem Unternehmen
1. Stellen Sie sich Ihre eigene Unternehmens-Sinnfrage
Nachhaltigkeit & Social Responsibility sind bei manchen schon lange als Ziel verankert, andere Unternehmen entwickeln sich erst partiell in diese Richtung. Bevor Sie große Werbeaktionen nach außen planen, stellen Sie sich und Ihrer Führungsriege die W-Frage: Für was stehen wir wirklich? Arbeiten Sie heraus, welche Aspekte wirklich nachhaltig in Ihrem Unternehmen unterstützt oder angegangen werden (sollen). Ohne Bullshit-Bingo und unrealistische Versprechen.
2. Leben Sie Ihre Vision in konkreten Schritten und Aktionen
Wenn Sie wissen, wofür Sie stehen (wollen), dann gehen Sie es konkret an. Prüfen Sie, welche Angebote oder Ideen bereits sozial verträglich oder nachhaltig bei Ihnen im Einsatz sind und umgesetzt werden. Je nach Ihrem Geschäftsmodell können verschiedene Maßnahmen im Fokus stehen, z.B. grüner Strom, nachhaltiges Fuhrpark- und Reisemanagement, ökologische sowie regionale Verpflegung, Unterstützung von Vereinen und sozialen Veranstaltungen, Förderung von Benachteiligten und ganz vieles mehr. Sie dürfen kreativ sein - alles, was einen Beitrag leistet, ist ein guter Schritt in die richtige Richtung.
3. Tue Gutes und rede darüber
Green-Doing macht zufrieden und begeistert oft auch die Beschäftigten von Ihrem Arbeitgeber. Machen Sie daher Ihre Maßnahmen bekannt. Interne binden Sie z. B. über Mailings, Newsletter und vor allem Beteiligung an den Aktionen ein. Und natürlich freut sich dann auch das Personalerherz, wenn Sie für ein gutes Employer Branding in Stellenausschreibungen und Jobinterviews von Ihrem Einsatz und Ihrer nachhaltigen Einstellung berichten können.
Viel Erfolg!
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