Schluss mit krampfhaften Konversationen
Von HR HEUTE-Redaktion · 2 Minuten Lesezeit
Kaum jemand mag sie. Doch Mitarbeitergespräche sind wichtig. Tom Fischer von der Allfoye Managementberatung erläutert im Interview wieso.
Dr. Thomas M. Fischer
Thomas "Tom" Fischer ist Co-Gründer und Vorsitzender der Geschäftsführung der Allfoye Managementberatung GmbH. Zu seinen Beratungsschwerpunkten zählen die Entwicklung von Digitalisierungsstrategien sowie das Transformationsmanagement bei umfassenden Digitalisierungsprojekten, insbesondere im Hinblick auf Organisation, Unternehmens- und Führungskultur. Hier fließen auch seine Erfahrungen als persönlicher Coach von Führungskräften aus mittelständischen Unternehmen und Konzernen ein.
Herr Dr. Fischer, sollten Mitarbeitergespräche abgeschafft werden?
Dr. Thomas Fischer: Nein! Sie müssen geführt werden. Und ich halte es für wichtig, dass Mitarbeitergespräche nach wie vor institutionalisiert werden. Sich unabhängig von unmittelbarem Feedback bewusst Zeit zu nehmen und gemeinsam das vergangene Halbjahr oder Jahr zu reflektieren, Feedback zu geben, Ziele und Maßnahmen zu beschreiben halte ich für wichtig. Ein gutes Feedbackgespräch ist ein sehr mächtiges Führungsinstrument.
Mitarbeitergespräche sagen viel darüber aus, welchen Stellenwert die Mitarbeitenden im Unternehmen haben und wie wichtig der Organisation ihre persönliche und fachliche Entwicklung ist. Sie drücken Wertschätzung aus – und sind dabei aber natürlich nur ein Instrument von vielen. Wenn auch ein sehr starkes.
Warum ist es dann bei vielen Mitarbeitern so unbeliebt?
Dr. Thomas Fischer: Sie merken schnell, wenn es eine Führungskraft nicht ernst meint, es lediglich um Rechtfertigung geht und das Ganze kaum mehr als ein Kritikgespräch ist. Die Krux ist, dass das Gespräch in den meisten Fällen mit Gehaltsfragen verbunden wird. Es ist schwierig, über die persönliche und fachliche Ebene zu sprechen, wenn es am Ende nur darum geht, ob die Ziele erreicht wurden und Boni fällig werden oder nicht. In unserem Unternehmen haben wir das bewusst entkoppelt.
Und wie regeln Sie dann die finanziellen Angelegenheiten?
Dr. Thomas Fischer: Bis zur Managementebene zahlen wir Fixgehälter, auf den Ebenen darüber gibt es Teamziele, beispielsweise bezüglich des Umsatzes oder der Auftragseingänge. Sie werden im Vorhinein festgelegt und kommuniziert und die Zielerreichung ist auch unterjährig stets transparent.
Aber was, wenn einzelne Mitarbeitende beispielsweise eine Beförderung anstreben?
Dr. Thomas Fischer: Alle Mitarbeitenden haben bei uns einen Mentor oder eine Mentorin, der bzw. die ihre fachliche und persönliche Entwicklung begleitet. Mitarbeitende, die mehr Gehalt oder eine Beförderung wünschen, adressieren dies an unser „Round Table-Meeting“, das mit Mitgliedern aus der Geschäftsleitung besetzt ist. Der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin empfiehlt sich mit Unterstützung seines Mentors bzw. seiner Mentorin anhand von Referenzen seiner Teamkollegen und Projektleitung – und dann wird darüber diskutiert.
Das setzt ein anderes als das klassische Bild einer Führungskraft voraus, oder?
Dr. Thomas Fischer: Führungskräfte müssen heute als Coach ihrer Mitarbeitenden agieren. Der Fokus liegt darauf, den Rahmen für die Arbeit zu gestalten und die individuellen Talente und Eigenschaften sowie die fachlichen und persönlichen Fähigkeiten der Mitarbeitenden zu entwickeln.
Wozu dienen Mitarbeitergespräche in diesem Kontext?
Dr. Thomas Fischer: Es sollte darin um Grundsätzliches gehen: die Rolle der Mitarbeitenden, ihre Wirkung auf die Organisation verbunden mit der Definition von Lern- und Potenzialfeldern – also Bereichen, in denen sie sich weiterentwickeln können und wollen. Solch ein Gespräch sollte aber nicht als Einbahnstraße verstanden werden. Auch die Führungskraft sollte dieses Gespräch nutzen und Feedback einholen: Wie nehmen die Mitarbeitenden sie wahr? Was kann sie besser machen?
Mit dieser Rolle tut sich der Erfahrung nach manche Führungskraft schwer...
Dr. Thomas Fischer: …weil viele von ihnen ganz anders sozialisiert sind. Da möchte ich niemandem einen Vorwurf machen. Sie verstehen sich als ManagerIn und glauben, dass Karriere vor allem Macht und Einfluss bringt und dass jeder Mensch genau danach strebt. Es gibt aber immer mehr Mitarbeitende, die so nicht mehr geführt werden wollen. Die jüngeren Generationen ticken ganz anders: Für viele von ihnen ist eine steile Karriere beispielsweise gar nicht mehr erstrebenswert – und schon gehen viele Hebel einer traditionellen Führungskraft ins Leere. Sie müssen ihre Haltung ändern, und da ist es nicht mit dem Besuch eines Seminars getan.
Wie kann es dann gelingen?
Dr. Thomas Fischer: Unternehmen sollten zunächst hinterfragen, was die wesentlichen Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen ihrer heutigen Kultur sind und welche Eigenschaften und Fähigkeiten in Zukunft notwendig sind. Heute spielen beispielsweise analytische Kompetenzen, die Fähigkeit in Netzwerken zu arbeiten, Adaptionsfähigkeit, Offenheit, Mut etc. eine wichtige Rolle. Anders ausgedrückt: Welche Kultur, welche organisationalen Fähigkeiten und Eigenschaften brauchen wir, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein? Daraus leitet sich dann unter anderem ab, welche Mitarbeitenden und welche Führungskräfte es braucht und welches Verhalten Führungskräfte an den Tag legen müssen, um die Kultur und damit die Eigenschaften eines Unternehmens gezielt weiterzuentwickeln.
Können Sie aus Ihrer praktischen Erfahrung noch weitere Tipps geben?
Dr. Thomas Fischer: Führungskräfte müssen Sinn vermitteln und ihren Mitarbeitenden Vertrauen schenken. Das bedeutet auch, Kompetenz, Verantwortung und Budget abzugeben. Die damit verbundenen „Delegationsschmerzen“ muss man dann auch schon mal aushalten. Man kann nur einen Nährboden für Wachstum schaffen, wenn die Mitarbeitenden tatsächlich wachsen können. Um es mal ein wenig ketzerisch auszudrücken: Jede Führungskraft hat spätestens nach einem halben Jahr die Mitarbeitenden, die sie verdient.
Warum legen Sie Wert darauf, dass die Gespräche institutionalisiert werden sollten?
Dr. Thomas Fischer: Gibt es keine festen Termine, besteht die Gefahr, dass es immer etwas „Wichtigeres“ gibt. Natürlich sollte man den Rhythmus der Gespräche der jeweiligen Situation anpassen. Viele Unternehmen machen mit einem Halbjahresrhythmus gute Erfahrungen, aber das kann beispielsweise in klassischen Fertigungsbereichen zu häufig sein. In manchen Phasen bin ich als Mentor und Coach aber auch fast wöchentlich mit Mitarbeitenden in solchen Gesprächen, in anderen seltener. Institutionalisierte Mitarbeitergespräche sollen ja auch das Ad-hoc-Gespräch nicht ersetzen.
Das Interview wurde geführt von David Schahinian, in Zusammenarbeit mit der Personalwirtschaft (Erstveröffentlichung).
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