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Alle Last auf den eigenen Schultern?

Dank Konsententscheid das Team effektiv an der Entscheidung beteiligen

Endlich Konsent: Beenden Sie die langwierige Suche nach der perfekten Lösung


New Work Officer, Empleox GmbH

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Savina Schlichte

unterstützt in ihrer Tätigkeit als New Work Officer bei Empleox die Mitarbeitenden, indem sie ihnen sowohl beratend als auch moderierend zur Seite steht, um die passenden Wege in eine agile und eigenverantwortliche Organisation zu finden

Der Konsententscheid in soziokratischen Organisationen

Was versteht man unter Soziokratie?

  1. Soziokratie bezeichnet eine Organisationsform, bei der die gleichwertige Beteiligung aller im Fokus steht. Das bedeutet, hier entscheiden alle Beteiligten gemeinsam.
  2. Soziokratie ist somit eine Form der Selbstorganisation.
Um diese Selbstorganisation gut umsetzen zu können, gilt für Entscheidungen das Prinzip des Konsententscheids. Und genau diese Methodik kann auch außerhalb der Selbstorganisation Menschen in Führungssituationen helfen, Entscheidungen mit dem Team effektiv zu treffen.

Projektleitung, Elternschaft, Führungskraft, Coach – im Alltag werden immer mehr Menschen in sehr vielen Rollen gefordert. Was sich am Anfang meist spannend und fördernd anfühlt, verfliegt mit der Zeit und wird zur Last, die auf zwei Schultern einsam ruht. In all den Themenfeldern wollen unendlich viele Einzelheiten schnell und kompetent entschieden werden. Immer wieder fragt man sich: Was zuerst machen? Wie wichtig ist x versus y? Wem welche Aufgabe zuteilen?

Und dann ein Lichtblick – in der Soziokratie können Entscheidungen auch anders, leichter, gemeinschaftlicher getroffen werden. An sich nichts Neues, doch warum wenden wir es dann nicht an? Könnten wir es nicht einfach von der Soziokratie pragmatisch „stehlen“ und es als Ungeübte mit dem eigenen Team durchziehen?

So bringen Sie Ihren ersten Konsententscheid ins Ziel

Um den Konsententscheid anwenden zu können, muss man wissen, worum es sich dabei genau handelt, wie er funktioniert und wie man ihn im Team einführt. Und dann: einfach mal machen?!

Was ist ein Konsententscheid?

Beim Konsententscheid wird gefragt, wer einen schwerwiegenden Einwand gegen die Entscheidung hat (versus Konsensentscheid: Hier wird gefragt, wer mit der Entscheidung einverstanden ist.).

Einfach ausgedrückt: Beim Konsent ist keiner dagegen.

 

Voraussetzungen eines Konsententscheids: 

  • Eine Entscheidung soll getroffen werden.
  • Die Entscheidung soll vom Team mitgetragen werden.
  • Es gibt einen klar formulierten Vorschlag zur Entscheidung, der zuvor entweder von einer Gruppe, Einzelnen oder Außenstehenden eingebracht wurde.

Jetzt startet der Konsententscheid-Prozess:

  1. Der Vorschlag wird laut wiederholt (oder schriftlich für alle sichtbar festgehalten), damit alle ihn verstehen. Wenn es Verständnisfragen dazu gibt, werden diese jetzt beantwortet.
  2. Nun lautet die Frage an alle: „Wer hat einen schwerwiegenden Einwand gegen diese Entscheidung?“ Erkläre, dass ein schwerwiegender Einwand es demjenigen unmöglich macht, zuzustimmen und er somit die Entscheidung nicht mittragen kann.
  3. Gib jetzt allen Zeit, sodass jede/r in sich gehen und die eigenen schwerwiegenden Einwände prüfen kann. Lass den Blick schweifen mit geduldigem, offenem Gesichtsausdruck. Signalisiere so, dass Du wirklich offen für schwerwiegende Einwände bist.
  4. Wenn jemand einen schwerwiegenden Einwand hat: Lass die Person ihren Einwand im Detail ohne Unterbrechung durch die Gruppe erklären. Sorge für ein genaues Zuhören und Verstehen des Teams.
  5. Frage den Einwendenden nach einem Vorschlag zu einer möglichen Lösung oder Anpassung.
  6. Lass dann Verständnisfragen aus dem Team zu. Achtung: Nur Verständnisfragen, keine Kommentare, Diskussionspunkte, Meinungen etc.
  7. Erarbeitet danach als Gruppe eine abgeänderte Entscheidung, die den schwerwiegenden Einwand so berücksichtigt, dass er nun ins Leere läuft.
  8. Wenn ein neuer Vorschlag steht, frage wiederum: Wer hat einen schwerwiegenden Einwand?
  9. Der Konsententscheid ist abgeschlossen, wenn es keine Einwände mehr gibt.

Wie führt man im Team einen Konsententscheid ein? 

Erklären Sie vor der anstehenden Entscheidung, dass Sie gemeinsam mit dem Team etwas Neues ausprobieren möchten. Eine neue Art, Entscheidungen gut gemeinsam zu treffen. Teilen Sie den daran Beteiligten mit, dass Sie nach dem Prinzip des Konsententscheids arbeiten werden. Erläutern Sie kurz das Prinzip. Geben Sie Sicherheit, indem Sie versprechen, diese neue Methodik durchzumoderieren und allen zu helfen, sie gut anzuwenden.

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4 typische Wege Entscheidungen zu finden NativDigital

Praxis-Beispiel

Ich selbst habe das erste Mal den Konsententscheid „in action“ bei unserem Unternehmenswerte-Projekt erlebt. Ein diverses Team, welches aus allen Ecken unseres Unternehmens zusammenkam, um in mehreren Workshopschleifen sowohl die Werte als auch deren Erläuterung zu erarbeiten. Nicht einfach, weil eben unterschiedlich – und genau deshalb so gewünscht. Werte gehen eben alle etwas an!

Wie einigt man sich? Mit dem Konsententscheid! Sowohl bei der Endauswahl unserer 7 Werte als auch bei jedem Erläuterungssatz. Das hat es wesentlich einfacher gemacht, die Formulierungen derart anzupassen, dass kein Störgefühl mehr im Team vorhanden war. So haben wir uns Wert für Wert vorangearbeitet.

Ging das besonders schnell? Nein, aber vom Gefühl her wesentlich schneller, als immer zu diskutieren, ohne konkret zu werden. Und effektiver, da nicht jede/r jedesmal zustimmen musste und kein Raum war für Allgemeinplätze wie „Könnte man nicht auch ...“, „Fehlt da nicht …“, „Also ich muss dazu noch anmerken, dass …“. Und man spürte richtig, dass am Ende alle im Team dahinterstanden. Das hat mich so überzeugt, dass dieser Blogbeitrag entstanden ist. Und der Konsententscheid seitdem fest in meinem Methodenrepertoire verankert ist.

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Vorsicht! Wann ein Konsententscheid nicht passt

Wenn Sie die Führung im Team haben, tragen Sie meist auch die Verantwortung. Sie sollten vor einer Entscheidung also prüfen, ob das Team die anstehende Entscheidung überhaupt mittragen kann oder soll. Es gibt Entscheidungen,

  • die außerhalb des Teams angesiedelt sind,
  • zu denen das Team zu wenig Kompetenz oder Wissen hat oder
  • die schlichtweg so schwerwiegend bzw. schwierig sind, dass man sie nicht jedem Team zumuten kann.

Für ein Team, welches nicht komplett selbstorganisiert arbeitet, können beispielsweise Personalentscheidungen, Entscheidungen zu Gehalt und Bonus oder extrem hohe Investitionsentscheidungen zu viel sein. Das bedeutet nicht, dass sich ein Team nicht in diese Richtung entwickeln kann. Es empfiehlt sich, kleine Schritte zu mehr Beteiligung und Selbstorganisation zu gehen, um zu schauen, wie viel Einbeziehung und Verantwortung das Team gut verdauen kann.

Mehr Soziokratie, mehr Beteiligung, weniger Last

Das Gefühl, nicht alles alleine entscheiden zu müssen, fühlt sich für die meisten von uns leichter an. Es bedeutet zwar auch, loslassen zu können und andere in ihren Bedenken so ernst zu nehmen, dass sie Entscheidungen verändern können. Dafür trägt der Beschluss als Team sicherer und länger. Es verhindert das einstimmige Nicken, welches sich hinterher als unterschwellige Ablehnung herausstellt.

Fazit: Mit der richtigen Methodik machen Entscheidungen richtig Spaß und verbinden unterschiedliche Sichtweisen zu einem schlagkräftigen Team.