2 Leitern stehen vor Mann u. Frau  - Sprossen fehlen bei Frau

Gläserne Decke oder Broken Rung?

Unsichtbare Karrierehürden abschaffen

Fehlen Sprossen auf der Karriereleiter, stoßen Frauen erst gar nicht an die gläserne Decke – geschlechtsspezifische Biases erkennen und überwinden.

Der „Women in the Workplace“- Report 2024 von McKinsey & Company und LeanIn.Org gibt an, dass in den USA mittlerweile nahezu 30 % der C-Level-Positionen mit Frauen besetzt sind. 2015 waren es gerade einmal 17 %. Sind wir also in den westlichen Ökonomien auf einem guten Weg? Bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass es nicht so einfach ist.

Während Frauen mehr Spitzenpositionen besetzen, zeigt sich beim Berufseinstieg nach wie vor eine große Ungleichheit: Es steigen nahezu gleich viele Frauen und Männer ein, doch schon auf der ersten Karrierestufe verändert sich das Bild: Rund 60 Prozent der Manager stehen nur noch knapp 40 Prozent der Managerinnen gegenüber. Im Vergleich zu den letzten drei Jahren ging der Frauenanteil sogar leicht zurück.

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Nach wie vor sind Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert. Studien bieten dafür verschiedene Erklärungen an – vermutlich ist an allen etwas dran.

Gefährlicher als die gläserne Decke: Broken Rung

Der Grund: Während ihre Kollegen die Karriereleiter Stufe für Stufe erklimmen, tuen sich für Frauen unsichtbare Lücken auf. In ihrer Karriereleiter fehlen Sprossen, die sogenannten Broken Rungs. Deshalb steigen sie erst gar nicht zur gläsernen Decke auf, an der sie sich eine Beule holen könnten. Auch wenn es uns in der Regel nicht bewusst ist: Der Mangel an Frauen in Führungspositionen beziehungsweise männlich geprägte Leitungsebenen begünstigen automatisch Männer:

  • Männer können sich besser in ihresgleichen hineinversetzen. Sie sehen, was aus dem jungen, begabten Trainee werden könnte, aber eher nicht, dass die studierte Berufseinsteigerin das Zeug zur Führungskraft hat.
  • Frauen müssen sich in der Regel mehr anstrengen, um den nächsten Karriereschritt angeboten zu bekommen, während Männer der Meinung sind, dass ihnen dieser zusteht.
  • Talentierte und ambitionierte Frauen wechseln eher die Stelle, als sich an unsichtbaren Hindernissen abzuarbeiten. Statt diesen Braindrain einfach hinzunehmen, lohnt es sich, nach den Ursachen zu forschen und diese abzustellen.

Einstiegshürden überwinden

Schon im Recruiting wirken Stellenangebote auf Männer und Frauen unterschiedlich attraktiv und passend. Sandra Westermann, Gründerin von "Superheldin.io", einer Jobbörse für Mütter, weiß, dass Frauen anders auf Jobsuche gehen. Männer versuchen es einfach mal und eignen sich im Zweifelsfall die benötigten Fertigkeiten und Erfahrungen zur Not später an. Frauen hingegen bewerben sich nur, wenn eine Stellenanzeige mindestens zu 70 % mit ihrer Erfahrung übereinstimmt.

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Außerdem haben Eye-Tracking-Studien ergeben, dass Männer und Frauen Stellenanzeigen unterschiedlich „lesen“. Frauen studieren die Anforderungen aufmerksam, während Männer sich eher über das Unternehmen schlau machen. Sensibel reagieren sie auf Soft Skills, die Geschlechtern zugeschrieben werden. Prof. Dr. Anja Seng: „Es gibt Studien, die belegen, dass Frauen sich von bestimmten Formulierungen eher abschrecken lassen. Vor allem Macht und Status bezogene Eigenschaften, wie z. B. Ehrgeiz und Durchsetzungskraft, widersprechen häufig dem Selbstverständnis von Frauen. Beschreibungen von Aufgaben wirken dagegen eher attraktiv. Es empfiehlt sich daher, das Anforderungsprofil der Stelle eher aufgaben­ und qualifikationsorientiert zu beschreiben.“

Schon mit leicht veränderten Formulierungen in Ihren Stellenanzeigen bauen Sie Brücken[1]:

  • Wortgewandtheit statt Verhandlungsgeschick
  • Selbstbewusstsein statt Durchsetzungsvermögen
  • Blick für das Wesentliche statt analytisches Denken
  • Urteilsfähigkeit statt Entscheidungsvermögen

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Gendergerechte Personalpolitik

Frauen fühlen sich häufig wenig von Jobinseraten angesprochen, in denen das generische Maskulinum dominiert. Das Gendern in Stellenanzeigen kann helfen.

Es hilft sehr, wenn Sie im Bewerbungsgespräch glaubwürdig vermitteln, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei Ihnen gelebte Realität ist. Je authentischer, umso besser. Weisen Sie beispielsweise bei der Terminvereinbarung darauf hin, dass die Vorgesetzte, die hinzugezogen werden soll, nur bis 15 Uhr Zeit hat, weil sie dann ihre Kinder abholt. Das überzeugt und beruhigt mehr als Lippenbekenntnisse, womöglich noch kombiniert mit langen Gesichtern, wenn in der Probezeit der erste Anruf von der Kita kommt.

Knacken Sie den Gender Bias

Sind Mitarbeiterinnen einmal im Unternehmen gut angekommen, begegnet ihnen die Broken Rung in einer unterschiedlichen Leistungsbeurteilung: Männer werden vor allem von männlichen Vorgesetzten nach ihrem Potenzial beurteilt, Frauen hingegen danach, was sie in der Vergangenheit geleistet haben – eine geschlechtsbezogene Wahrnehmungsverzerrung, ein sogenannter Gender Bias.

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Zwar können Vorschusslorbeeren täuschen, zumindest bieten sie aber erst einmal die Möglichkeit, sich zu beweisen. Dieses Feld wird Frauen unbewusst und systematisch vorenthalten. Gerade an den unteren Stufen der Karriereleiter hat das fatale Folgen. Denn in dieser Phase können weder Frauen noch Männer allzu viel vorweisen. Sie sind auf einen wohlwollenden Blick angewiesen, der die Potenziale in ihnen sieht. Bitter, wenn das nicht geschieht, weil Frau Meier oder Erdemir schlicht das falsche Geschlecht haben.

Es ist schon viel gewonnen, wenn Sie vor allem Ausbilder und Führungskräfte für die Broken Rung sensibilisieren. Allerdings haben sich weitere Maßnahmen bewährt:

  • Werten Sie Karrierewege in Ihrem Unternehmen nach Geschlecht aus. Das Verhältnis hält sich die Waage? Großartig. Sie erkennen, dass der Frauenanteil von Stufe zu Stufe sinkt? Dann wissen Sie zumindest, dass Handlungsbedarf besteht.
  • Bevor Runden mit Mitarbeitendengespräche anstehen, können Sie eine E-Mail versenden, die an den Gender Bias erinnert.
  • Führen Sie ein Monitoring von karriererelevanten Gesprächen sowie Leistungsbeurteilungen ein. Je genauer Sie Anforderungen und Kriterien für eine Beförderung definieren, desto weniger werden Ihre Entscheidungen von Wahrnehmungsverzerrungen beeinflusst sein.
  • Lassen Sie Gründe für eine Beförderung und auch für eine Ablehnung der Beförderung dokumentieren. Auch so treten möglicherweise sachfremde Argumente zutage, denen Sie begegnen können.

Lassen Sie frische Luft unter die gläserne Decke

Ein familienfreundliches Arbeitsklima tut allen Mitarbeitenden gut. Dazu gehört auch ein Bewusstsein für die Herausforderungen pflegender Angehöriger. Unterstützen Sie Ihre Führungskräfte dabei, überholte Denkweisen zu überwinden. Auch in Teilzeit sollte es möglich sein, Karriere zu machen. Außerdem gibt es vielleicht bessere Möglichkeiten, sich für eine Beförderung zu qualifizieren, als immer am längsten zu bleiben oder um 21 Uhr noch E-Mails zu beantworten.

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Das Gesundheitsunternehmen Roche geht mit der Initiative „Das ElternPlus“ einen innovativen Weg, um mehr Chancengleichheit für Familien zu erreichen.

Ein männlich geprägtes Betriebsklima und informelle Strukturen, die Männer begünstigen, sind schwer zu greifen. Ob Mikroaggressionen („Für eine Frau sind Sie ganz schön schlagfertig.“) oder die mit dem Chef geteilte Fußballleidenschaft: Erst wenn in der Führungsetage genügend Frauen als Vorbilder und Förderinnen sitzen, greifen solche Ausschlusskriterien nicht länger. Je leichter Sie es Ihren Mitarbeiterinnen machen, Stufe für Stufe ihren Weg durchs Unternehmen zu machen, desto besser wird die Luft unter der gläsernen Decke – bis sowohl diese als auch die Broken Rung eines Tages Geschichte sein werden.

1 Vgl. Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V: Mit Stellenanzeigen gezielt weibliche Fachkräfte gewinnen. November 2019, Seite 6

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