Find your perfect match!
Von Stefan Scheller · 3 Minuten Lesezeit
Personalauswahl zählt zu den Kernprozessen im Recruiting, dennoch laufen die Prozesse nicht fehlerfrei. Aber wie lassen sich typische Fehler vermeiden?
Je mehr Bewerbungen ein Unternehmen erhält, umso wichtiger wird es, diese nicht nur effizient zu bearbeiten, sondern auch eine effektive Personalauswahl zu treffen. Dabei kursieren im Internet eine Reihe dubioser Tipps, mit deren Hilfe Sie angeblich zum sogenannten „perfect match“, also die am besten geeigneten Bewerbende gelangen. In der Praxis haben sich aber vor allem folgende 5 Tipps bewährt.
1. Abschrecken von ungeeigneten Bewerbenden
Was auf den ersten Blick seltsam anmutet, wird dennoch meist vernachlässigt. Viele Stellenanzeigen sind sehr lieblos gestaltet und strotzen nur so von Belanglosigkeiten und Allgemeinplätzen. Im schlimmsten Fall werden sogar Jobausschreibungen von anderen Unternehmen kopiert und nur die eigenen Daten eingesetzt. In Summe sind die Stellenanzeigen daher nichtssagend und wenig für eine Selbstselektion der Bewerbenden geeignet. Aber je ungenauer oder allgemeiner eine Stellenanzeige formuliert ist, umso mehr Bewerbende halten sich dafür qualifiziert und bewerben sich. Umgekehrt schaffen Sie mit aussagekräftigen Formulierungen zum Unternehmen, der jeweiligen Abteilung, dem Arbeitsort sowie der Tätigkeit eine Differenzierung. Es bewerben sich vermutlich weniger Interessenten, da die Anforderungen deutlich spezifischer sind. Dafür ist die Quote der passenden Bewerbenden umso höher. Dies führt statistisch betrachtet zu einer deutlich besseren Ausgangssituation für die anstehende Auswahlentscheidung, wie nachstehende Abbildung zeigt.
Typische Fehler auf der eigenen Karriereseite vermeiden
Vermeiden Sie typische Fehler auf der eigenen Karriereseite, damit potenzielle Bewerberinnen und Bewerber nicht die Flucht ergreifen.
2. Nutzung von Spezial-Plattformen
Versuchen Sie über die von Ihnen gesuchten Zielgruppen ein Maximum an Informationen einzuholen. Insbesondere wichtig für die Wahl des richtigen Ansprache-Mediums ist das Wissen um die genutzten Spezial-Plattformen, Communities, Social Media Portale oder Apps. Dort, wo sich Ihre Zielgruppe tummelt um Informationen aufzunehmen, zu kommunizieren bzw. um sich zu vernetzen, sind Ihre stellenbezogenen Marketing-Aktivitäten besonders gut aufgehoben. Für alle erdenklichen Zielgruppen gibt es mittlerweile entsprechende virtuelle Orte, die es zu finden und in angepasster Art und Weise zu nutzen gilt. Der Vorteil einer Nutzung von Spezial-Plattformen: Weniger Streuverlust und damit mehr qualitativ passende Bewerbende in der Vorauswahl.
3. Vergessen Sie die formale Gestaltung der Bewerbung
Weder sagt die Verwendung einer Sonderbriefmarke etwas über soziales Engagement aus, noch ist die formal korrekte Adressierung nach DIN-Vorgaben ein für die Personalauswahl entscheidungsrelevantes Kriterium. Gleiches gilt für einzelne (!) Rechtschreibfehler. Wenn Sie nicht gerade Buchhalterinnen, Buchhalter oder Controller und Controllerinnen einstellen, sondern vielleicht einen Wachmänner oder -frauen oder Köchinnen und Köche, dürften all die genannten Kriterien für Sie irrelevant sein. Neben der fehlenden Aussagekraft über die Leistungserbringung im tatsächlichen Job der Bewerbenden, sind stark formale Kriterien auch aus einem weiteren Grund ungeeignet für die Personalauswahl: Mittlerweile gibt es eine ganze Industrie, welche Hilfsmittel für die Erstellung von Bewerbungen zur Verfügung stellt. Allen voran bieten zahlreiche Online-Portale entsprechende Vorlagen an, teilweise sogar mit Assistenz-Systemen und Korrekturhilfen. Formal optimal aufbereitete Unterlagen sind vielleicht optisch hübsch anzuschauen. Darauf aufbauende valide Rückschlüsse auf die Eignung der Bewerbenden sind jedoch kaum möglich.
4. Lange Führen heißt nicht automatisch gut Führen
Unternehmen suchen selbstverständlich auch Führungskräfte. Dabei werden systematisch Bewerbungen von Menschen mit langjähriger Führungserfahrung bevorzugt. Die dahinterstehende These: Wer viel Führungserfahrung hat, ist einem Führungsneuling überlegen. Diese Annahme ist in dieser Pauschalierung schlichtweg falsch! Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Führungsbeginnende mit einer hoher Führungsmotivation und positiver Energie in Summe langjährigen Führungskräften durchaus ebenbürtig sind. Führungserfahrung bedeutet nur dann eine fachliche und methodische Überlegenheit, wenn die Führungskraft ihr eigenes Führungsverhalten in der Vergangenheit immer wieder in Frage gestellt hat und lern- beziehungsweise veränderungsbereit war. Jahrzehntelanges Führen nach immer der gleichen Methode kann sogar schädlich sein, insbesondere im Umfeld von agilen Methoden, Arbeitsflexibilisierung und New Work. Da Sie auf Basis der Bewerbungsunterlagen in den seltensten Fällen sicher erkennen können, zu welcher Art von Führungskraft die Bewerbende gehören, sollten Sie dem Kriterium Führungserfahrung in der Vorauswahl auf Basis der eingereichten Unterlagen nicht zu hohe Bedeutung beimessen.
5. Diversity nicht immer hilfreich
Immer wieder werden Artikel veröffentlicht mit Aussagen wie „Divers besetzte Teams performen besser als homogen besetzte Teams“. Dies stimmt so pauschal nicht. Einerseits darf Diversität (=Verschiedenartigkeit) nicht darüber hinwegtäuschen, dass dennoch eine kulturelle Passung zum Unternehmen bei allen Teammitgliedern gegeben sein sollte. Eine Unterschiedlichkeit unter dieser Prämisse kann helfen, um blinde Flecken bei der Haltung, der Aufgabenerbringung sowie der im Team vorhanden Fähigkeiten zu vermeiden. Allerdings muss Diversität auch aktiv gemanaged werden. Möglichst unterschiedliche Menschen zusammen arbeiten zu lassen bedarf einer generellen Vorbereitung und Begleitung, insbesondere durch die Führungskraft. Zudem müssen alle Teammitglieder auf jene Offenheit gegenüber der Andersartigkeit von Kolleginnen und Kollegen hin ausgesucht werden. Nicht zu vergessen sind in diesem Zusammenhang die Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Nur um ein diverses Team aufzubauen, dürfen Sie keine Diskriminierungen innerhalb des Recruiting-Prozesses vornehmen.
Über den Autor:
Stefan Scheller verantwortet das Personalmarketing der DATEV eG. Auf seinem privaten Blog unter Persoblogger.de schreibt er kritisch zum Thema Personalmarketing, Recruiting, Employer Branding, die Digitalisierung von HR sowie über aktuelle Personaler-Trends. Daneben testet er Anbieter und deren HR-Dienstleistungen und bloggt darüber. Stefan Scheller ist mehrfacher Buchautor und Keynote-Speaker. Seit 2018 betreibt er das www.hr-studien-download.de Portal als Mehrwert-Service für seine Leser.
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