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Interview mit Glücksforscherin Saskia Rudolph
45% der Mitarbeiter kündigen, weil sie sich von der Führungskraft nicht wertgeschätzt fühlen. Nur 15% haben eine emotionale Bindung zum Unternehmen. Höchste Zeit, dieses Führungsproblem anzugehen. Im Gespräch mit Saskia Rudolph, Glücksforscherin und Unternehmenscoach, über zufriedene Mitarbeiter und emotionale Führungskräfte.
Von Dominik Josten
Dass zufriedene Mitarbeiter produktiver, engagierter und loyaler sind, liest man ja überall und sagt auch der gesunde Menschenverstand. Doch was sorgt dafür, dass sich Mitarbeiter wohl fühlen, ja vielleicht sogar glücklich sind auf der Arbeit? Und was können Führungskräfte dazu beitragen?
Ein Gespräch mit Glücksforscherin, Gründerin, Unternehmenscoach und Rednerin Saskia Rudolph über den erheblichen Einfluss der Führungskräfte, "positive Leadership", Schwächen und Gefühle im Arbeitsalltag, Sinn und Unsinn von Zielen, Feedback-Kultur und vielem mehr.
Mit konkreten Tipps für Führungskräfte und Personaler, spannenden Geschichten aus der Praxis und Impulsen zum Nachdenken.
Über unseren Interview-Gast:
Saskia Rudolph
Saskia Rudolph ist Magistra Artium der Interkulturellen Kulturwissenschaft, Psychologie und Rechtswissenschaft. Seit 2009 arbeitet sie als selbstständige Speakerin, Konzeptionerin, Dozentin und Autorin im Bereich der Angewandten Glücks- und Wohlbefindenswissenschaft. In zahlreichen Vorträgen, Workshops, Incentives und Projekten vermittelt sie Kenntnisse aus der Positiven Psychologie. Seit 2016 ist sie gemeinsam mit Andrea Horn geschäftsführende Gesellschafterin der Spiegelneuronen – Angewandte Positive Psychologie GmbH.
HR kann mehr - Folge 8 - mit Saskia Rudolph
Dominik Josten: Hallo und herzlich willkommen zurück hier im HR Heute Podcast. Heute geht es um Glück. Nicht das im Spiel und auch nicht das in der Liebe, sondern das im Leben. Konkret um das auf der Arbeit. Das Wohlbefinden, die Zufriedenheit mit der Tätigkeit, der die meisten von uns einen großen oder sogar den größten Teil ihres Lebens verbringen. Dass zufriedene Mitarbeiter motivierter, engagierter und letztlich auch produktiver sind, wurde ja schon oft gezeigt und hat wohl auch schon jeder erlebt.
Und da es hier im Podcast ja darum gehen soll, wie Personaler ihr Unternehmen voranbringen können, habe ich für dieses Thema eine Expertin eingeladen, die Sie, liebe Zuhörer, da bin ich mir jetzt schon sicher, mit ihren Einblicken begeistern und inspirieren wird.
Sie ist angewandte Glückswissenschaftlerin. Und das hat nichts mit Esoterik, Glücksstein oder Chakra-Vorträgen zu tun, sondern es geht um konkrete Erkenntnisse der Psychologie, was Menschen glücklich und das Leben lebenswert macht. Und anders als bei so manchen Wissenschaftlern, die vom Elfenbeinturm aus über Dinge reden, die mit der Praxis oft wenig zu tun haben, steht genau diese praktische Anwendung bei ihr im Fokus. In ihren Workshops und Vorträgen vermittelt sie, was etwa ein Personaler oder eine Führungskraft aus den Erkenntnissen der Psychologie für den eigenen Alltag lernen kann. Und ich kann aus eigener Erfahrung sagen, wer ihre positive Lebensfreude einmal in Aktion erlebt hat, der zweifelt kein bisschen daran, dass sie beim Thema Glück offenbar weiß, wovon sie spricht.
Ich freue mich wirklich außerordentlich, heute mit ihr über Führung, Personal und Mitarbeiterzufriedenheit zu sprechen. Begrüße ganz herzlich die Glückswissenschaftlerin und Gründerin der Spiegelneuronen, Saskia Rudolph. Hallo Saskia, schön dass du da bist.
Saskia Rudolph: Hallöchen, wow, was für eine Einleitung.
Dominik Josten: Du, freut mich wirklich, dass es endlich geklappt hat. Ich habe dich ja kurz vor Weihnachten mal live erlebt. Und es ist mir ehrlicherweise so nachhaltig in Erinnerung geblieben, dass ich, als der Podcast geplant wurde, immer gesagt habe: also Saskia will ich auf jeden Fall mal für eine Folge einladen. Und von daher echt schön, dass es jetzt soweit ist. Und jetzt habe ich die Erwartungshaltung genug in die Höhe geschraubt. Kommen wir endlich mal zu dir.
Saskia Rudolph: Sehr gerne.
Wie wird man Glückswissenschaftlerin
Dominik Josten: Saskia, vielleicht, was ich mich in der Vorbereitung so ein bisschen gefragt habe, ist: also wie wird man eigentlich Glückswissenschaftlerin? Ich meine, du bist ja von Haus aus, ich hoffe, ich sage das jetzt richtig, studierte Kulturpsychologin und Rechtswissenschaftlerin.
Saskia Rudolph: Genau.
Dominik Josten: Und wann hast du gemerkt, dass du ja Glück und positive Psychologie so zu deinem Arbeitsschwerpunkt machen willst? Und wie lief das dann?
Saskia Rudolph: Also so unterbewusst gemerkt habe ich das tatsächlich schon ganz früh, eigentlich als Kind tatsächlich. Ich habe immer versucht herauszufinden, wie ich es schaffen kann, dass es den Leuten in meiner Umgebung irgendwie besser geht. Und meine Eltern haben gesagt, ich habe es teilweise schon mit drei gemacht und es damals natürlich gar nicht so mitgeschnitten. Und dann dachte ich ganz lange, dass die Art und Weise wie ich bin und auch wie ich aufgewachsen bin, dass das ganz normal ist.
Irgendwann habe ich dann auch über so klassische Dinge, wie den Ethikunterricht oder so, festgestellt, dass es anscheinend was ist, was nicht allen Menschen gleichmäßig innewohnt. Dann dachte ich natürlich: okay, ich will jetzt irgendwas in die Richtung lernen und machen und dachte, dass ich im Psychologiestudium unglaublich viel darüber lerne, was Menschen guttut, was sie zufrieden macht. Und dass ich in der Kulturwissenschaft ganz viel darüber lerne, wie Kulturen gut miteinander harmonieren, welche Werte die wichtigen im Leben sind. Ich hab im Studium, vor allem auch in Jura, dann immer gemerkt: man, es geht immer nur um das Negative. Es geht immer nur um die Dinge, die schlecht laufen, gegen die wir was tun müssen. Das ist ja auch super wichtig. Und ich habe dann so gedacht: hä, das muss doch auch anders gehen.
Ich habe dann direkt am ersten Tag nach dem Studium angefangen, in einem unglaublich tollen Museum zu arbeiten, in der Museumspädagogik in Dresden im deutschen Hygienemuseum, das Museum des Menschen. Richtig cool. Und habe dort in der Sonderausstellung zum Thema Glück festgestellt: da steckt ja eine riesige Wissenschaft dahinter. Und ich wusste, da muss ich rein. Das muss ich machen. Das ist mein Ding. So war eigentlich der Anfang damals vor sehr vielen Jahren gelegt.
Dominik Josten: War ein spannender Weg. Also früh schon deine Berufung quasi so ein bisschen erkannt…
Saskia Rudolph: Total.
Dominik Josten: …bevor du dann wusstest, was sie ist.
Wofür holen Unternehmen einen Zufriedenheits-Coach?
Dominik Josten: Ja, und jetzt hast du schon gesagt, seit vielen Jahren machst du Vorträge, Workshops in Incentive-Tage mit Unternehmen. Wie muss man sich das denn vorstellen? Was sind so die typischen, ja, Aufträge oder Fragestellungen, mit denen Unternehmen zu dir kommen? Also steckt da wirklich eher so Interesse am Wohlbefinden dahinter oder wirst du eher so ein bisschen wie der Psychotherapeut gerufen, wenn der Karren schon in den Dreck gefahren ist und die Mitarbeiter vor lauter Streiten gar nicht mehr arbeiten.
Saskia Rudolph: Beides. Eines sei erstmal noch vorab gesagt, ich mache das ja nicht alleine. Ich habe ein ganz tolles Team noch um mich rum, vor allen Dingen meine Mitgründerin, die Andrea Horn. Sie ist Psychotherapeutin, weil du gerade mit den Therapeuten sagst. Und wir erleben tatsächlich beides. Also wir bekommen ganz viele Anfragen von Unternehmen, wo das Kind so ein bisschen in den Brunnen gefallen ist, wo teilweise die Führungskräfte oder die Personaler irgendwie merken: hier gibt es ein riesiges Motivationsproblem. Wir kommen hier irgendwie nicht weiter. Repariert mal bei uns. Da schlucken wir schon immer ein bisschen, denken so: nein, das wird nicht klappen. Da müssen erstmal ganz andere Sachen gemacht werden. Und auf der anderen Seite haben wir natürlich unglaublich tolle Kunden, die sagen: wir wollen einfach unseren Mitarbeitern was Gutes tun. Wir wollen, dass sie sich mal mit ihren Stärken auseinandersetzen, für ihre Selbstfürsorge sensibilisiert werden, Bedingungen definieren lernen, wie es einfach besser auf Arbeit aber auch zuhause laufen kann. Also der Mix und auch die Branchen, in denen wir unterwegs sind, reichen wirklich von Kliniken, wo wir das gesamte Klinikpersonal, die Ärzte schulen, bis hin zu riesigen Banken. Also das ist total unterschiedlich, wo wir in den letzten Jahren unterwegs waren. Und das macht es natürlich unglaublich spannend.
Dominik Josten: Ist ja eigentlich perfekte Überleitung, um zu unserem Thema zu kommen.
Die Rolle der Führungskraft
Dominik Josten: Mal darüber zu reden: ja, was ist denn so die Rolle der Personaler oder speziell auch der Führungskräfte überhaupt beim Wohlbefinden der Mitarbeiter?Ich denke jetzt mal, viele Führungskräfte haben vielleicht erstmal Zweifel oder denken vielleicht auch gar nicht darüber nach, ob und wenn, was für einen Einfluss sie auf das Glück, Wohlbefinden und Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter haben. Also ich denke da vor allem vielleicht mal an so Argumente wie: ja, gut, es ist halt ein Job, der muss gemacht werden. Der kann halt nicht immer Spaß machen. Oder ich bin Arbeitgeber, kein Therapeut. Wie siehst du das? Wie groß ist der Einfluss und auch die Verantwortung jetzt, nehmen wir mal ein Beispiel, einer Führungskraft?
Saskia Rudolph: Ja, also der Einfluss ist riesig und die Verantwortung natürlich auch. Ich denke da immer an so eine typische Meeting-Situation, das Team sitzt irgendwie schon im Besprechungsraum, die Führungskraft ist noch nicht da, alle sitzen so, machen irgendwas und plötzlich ertönen so die Schritte auf dem Gang und man merkt, die Person kommt näher. Und da schon in den Köpfen des Teams reinzuschauen, was da in denen vorgeht, so: okay, wie läuft sie oder er? Wie nähert er sich? Und dann dieses Auftauchen der Person beeinflusst, und das ist ja auch nur so ein Bild, ja schon maßgeblich wie dieses Meeting und auch alles andere dann weitergehen wird.
Also jede Führungskraft ist ein unglaublicher Stimmungsbarometer, ein Multiplikator ohne Ende. Und ich glaube oft, das gilt ja auch zum Beispiel für Lehrer und Lehrerinnen. Das sind ja auch Führungskräfte, die in einem unglaublichen Maße, oder auch Eltern, im untersten Maße bestimmen, wie der Tag verläuft. Und ich glaube, viele sind sich dessen auch gar nicht so intensiv bewusst, dass sie mit ihrer Art, ihren Werten, ihrem Sein so unglaublich Einfluss darauf haben, die dann auch Führungskräfte, die vielleicht in unteren Ebenen ja auch wiederum ein Team unter sich haben, sich gegenüber ihrem lieben Teamkollegen verhalten. Also auf jeden Fall.
Dominik Josten: Das kann ich absolut bestätigen. Ist auch mein Eindruck. Also vor allem, wenn man eigentlich darüber nachdenkt, der Hebel, den jede Führungskraft hat, der ist ja eigentlich riesig. Also eigentlich müsste der die Top-Priorität oder die sorgfältigste Auswahl in jedem Unternehmen sein. Wer darf Führungskraft werden? Weil ja letztendlich eine Führungskraft dann, keine Ahnung, fünf, zehn oder noch mehr Mitarbeiter beeinflusst. Aber die Praxis sieht meistens ein bisschen anders aus, ist so der Eindruck.
Was tun, wenn man schlechte Führungskräfte hat?
Dominik Josten: Was machst du denn, wenn jetzt also zum Beispiel jemand zu dir kommt und sagt: „hey, also mein Eindruck ist so, die letzte anonyme Mitarbeiterumfrage hat dann doch festgestellt, Führungskräfte hier im Haus sind im Schnitt nicht so toll.“ Wie gehst du das dann da an? Also was empfiehlst du? Was erzählst, erklärst du denen dann vielleicht, worüber sie sich mal Gedanken machen sollen?
Saskia Rudolph: Also es kommt natürlich total drauf an, was da los ist. Wir versuchen immer erstmal herauszufinden: wem ist das überhaupt aufgefallen? Also ist das wirklich etwas, was auch die Führungskräfte an sich schon festgestellt haben? Oder hat das nur irgendjemand beobachtet und die selbst sind sich der ganzen Sache noch nicht bewusst. Dann auch immer die große Frage, der wir auch sehr oft begegnen: haben die überhaupt Bock was zu ändern? Also sind die überhaupt änderungsbereit? Die Andrea sagt immer, sie sagt auch jedem Patienten in der Psychotherapie: „Ich kann gerne versuchen Dir zu helfen, aber wenn du keine Lust hast, können wir das gleich lassen“, so ungefähr.
Also dieses typische Perlen-vor-die-Säue-Phänomen, da achten wir wirklich extrem drauf. Wir könnten noch in viel mehr Unternehmen reingehen, irgendwas erzählen und sagen, aber wir versuchen immer erstmal ganz individuell und ganz intensiv in vielen Telefonaten, in Kommunikation, bevor wir überhaupt in das Unternehmen reingehen, rauszubekommen: wer will an welcher Stelle überhaupt gerne was ändern? Und wo fangen wir überhaupt an? Dann gibt es immer die großen Diskussionen. Macht man ein Format, wo verschiedene Hierarchieebenen gemeinsam Workshops machen? Trennt man die vielleicht voneinander? Bietet man Schutzräume, wo die sich mal „auskotzen“ können? Also einfach diese sehr sensible Rangehen. Weil das Schlimmste, was man erreichen kann, was wir als Psychologen leider oft noch als Problem haben, ist, dass die denken: oh Gott, ich habe irgendwas falsch gemacht oder jetzt kamen hier so die Psychotanten. Das ist ganz schlecht.
Dominik Josten: Oder sie sortieren vielleicht heimlich aus, wer überhaupt geeignet ist.
Saskia Rudolph: Ja, dass es dann in so eine Richtung rutscht, genau.
Was ist "Positive Leadership"?
Dominik Josten: Nehmen wir mal an, die wollen, sind bereit.
Saskia Rudolph: Ja.
Dominik Josten: Du hattest jetzt im Vorgespräch mal den Begriff Positive Leadership erwähnt. Alles mit positiv im Namen klingt ja jetzt erstmal gut, Positiv halt. Aber was steckt genau dahinter? Was muss sich darunter vorstellen? Und ja, was macht eine Führungskraft damit?
Saskia Rudolph: Genau, also der Gründungsvater der positiven Psychologie, was ja noch eine recht junge Wissenschaft ist, die eben auch forscht, wie du vorhin auch schon gesagt hast, was das Leben allgemein lebenswert macht. Die hat sich natürlich auch damit beschäftigt, was denn das Arbeitsleben, denn es ist ja ein großer Teil des Lebens, oder auch den Führungsalltag nachhaltig wirklich sinnvoll gestaltet. Und Martin Seligman, ich meine, dieser Gründervater hat gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern ein Modell entwickelt. Das nennt sich das PERMA-Modell. Das klingt ja schon mal sehr gut. PERMA klingt nach Nachhaltigkeit und immer da und gut.
Dominik Josten: (lacht) Und wir brauchten Begriffe, die zusammen ein schönes Wort ergeben.
Saskia Rudolph: Genau. Ich finde es ja wirklich schön. Er hätte das ja auch anders anordnen können, aber in diesem PERMA-Modell stecken ja diese fünf wesentlichen Buchstaben drin. Und die stehen eigentlich für das, was im Leben super wichtig ist, aber auch, was natürlich für den Führungsalltag wichtig ist. Das erste sind positive Emotionen, also überhaupt das Zeigen von Gefühlen aller Art, also „Positive Emotions“ sozusagen. Das zweite ist alles, was mit Engagement zu tun hat. Also wie erzeuge ich Motivation? Wie schaffe ich es überhaupt, dass ich selbst, aber auch mein Team einfach motiviert an die Sache rangehen? Wie schaffe ich es, eine emotionale Bindung aufzubauen zu dem Unternehmen? Das R ist eigentlich so ein bisschen halt übergreifend Relationships, also Beziehungen, welchen Wert die haben und wie wichtig die auch sind. Jetzt wird es ein bisschen globaler und größer, das M steht für Meaning, also für Sinn. Also die große Frage, welche persönlichen und gesellschaftlichen Werte verfolge ich überhaupt mit meinem Unternehmen, meiner Tätigkeit, meiner Führungskultur? Und das A am Ende steht für Achievements, also für konkrete Zielvorgaben für das Unterteilen, in Meilensteinen meines eigenen Lebens und Strebens, aber natürlich auch des Arbeitsalltags. Und das klingt dann erstmal so ganz global und groß. Aber im Grunde stecken da die urmenschlichsten Dinge dahinter, die nicht nur was mit Arbeitsleben zu tun haben, sondern die immer gelten sollen.
Dominik Josten: Jetzt ist es natürlich das eine, ein solches Modell zu kennen. Also jetzt hast du mir das vorgestellt und vorgelesen. Und alle nicken und sagen: ja, genau, ja, ja. Was soll man auch großartig dagegen sagen? Also ja Aber was sind denn jetzt so deine Erfahrungen? Gibt es so Situationen, die du vielleicht immer wieder erlebst? Also so quasi vielleicht, weiß ich nicht, typische Fehler oder so, die die Leute machen, bei denen du denkst, okay, wenn sie jetzt das PERMA-Modell oder die Gedanken dahinter - sie müssen ja nicht die Buchstaben auswendig können, sondern die Gedanken dahinter - präsent hätten, dann könnten Sie die Situation vielleicht deutlich besser meistern, weiß nicht, Mitarbeitergespräche oder irgendwie sowas. Gibt es da so die typischen Fälle?
Saskia Rudolph: Total. Also ich bin ja auch ein großer Freund von Umfragen. Und es gibt ja immer wieder so Mitarbeiterzufriedenheitsumfragen. Und wenn fast 45% der Mitarbeiter als Kündigungsgrund angeben, dass ihnen einfach die Wertschätzung gefehlt hat, das ‚Gesehen werden‘ und das Erkennen, welches Zahnrad man überhaupt in dem ganzen Konstrukt spielt, ist natürlich schon relativ viel. Und es gibt auch eine weitere Umfrage, die besagt, dass nur 15 Prozent der deutschen MitarbeiterInnen eine emotionale Bindung zu ihrem Unternehmen spüren. Also, dass sie für das, was da passiert, überhaupt auf der Straße sagen würden: hey, und das ist cool, dass ich bei XYZ arbeite, weil die machen eine gute Sache.
Und was wir natürlich sehr oft erleben, ist, dass dieses ganz große Thema Fühlen statt Führen oder einfach Fühlen mit Fühlen viel zu wenig noch geschieht. Also diese alte Regel von nicht zeigen, dass ich gerade scheitere, struggle, gerade auch nicht weiter weiß. Wir haben natürlich gerade jetzt in den letzten Monaten und Wochen von super vielen Führungskräften einfach so Hilferufe bekommen. Wir kommen mit dieser neuen Situation nicht klar, aber wir dürfen das ja unseren Mitarbeitern nicht zeigen. Es muss ja alles weiter laufen wie bisher. Wo wir dann auch sagen: nein, um Gottes willen. Es ist allen am besten geholfen, hier wirklich auch über emotionale Intelligenz und, ja, miteinander einfach eine ganz neue Ebene zu schaffen. Und nicht dieses: da oben geschehen Sachen und von denen darf unten niemand was erfahren, weil wir sind eine Führungskraft. Und eine Führungskraft hat keine Gefühle. Um Gottes willen.
Dominik Josten: Also Plädoyer dafür: lieber mit seinen Mitarbeitern nochmal dann zu reden und zu sagen: hey, ich habe auch nicht die perfekte Lösung, wie wir jetzt hier über Monate im Home-Office zusammenarbeiten, habt ihr Ideen? Oder was hättet ihr gerne?
Saskia Rudolph: Genau, du hast eigentlich schon zwei Sachen kombiniert. Nämlich eine Atmosphäre zu schaffen, wo einfach durch Kommunikation, durch Miteinander und durch das gemeinsame Finden von Lösungen…das hat ja heute ganz tolle Namen, so Co-Creation und Compassionate Leadership, es hat ja alles Labels, ne. Und dann setzen wir uns alle hin und machen bisschen Lego Serious Play und ein bisschen Design-Thinking. Das sind alles super coole Methoden, aber dahinter steckt einfach immer nur, neue Kommunikationsformen zu finden, Hierarchien flacher zu gestalten, Menschlichkeit, Freiraum, Eigenverantwortung einfach reinzubringen und einfach Menschen sich begegnen zu lassen, weil nichts anderes sind wir ja.
Dominik Josten: Wahrscheinlich auch ein bisschen Vertrauen, oder? Also dass die sagen kann was man will. Also ich hatte es jetzt letztens erst wieder, dass dann auch Mitarbeiter sagen: okay, ja, aber wie sagen wir denn da jetzt unsere Meinung? Nicht, dass wir die anderen dann beeinflussen. Also einfach so ein bisschen Vertrauen darin, jeder darf doch sagen, was er will und muss das auch sagen, weil sonst kann man es ja nicht erahnen, dass jemand unglücklich ist. Jedenfalls erst recht nicht über Home-Office sozusagen, ja.
Saskia Rudolph: Richtig, genau. Und genau dafür muss es aber ja auch Raum geben. Also wenn es überhaupt keine Feedback-Tools gibt, wenn es auch keine Schutzräume gibt, wo man sowas auch äußern kann, dann wird es natürlich immer vertrackter. Und das Feedback ist ja da. Die Frage ist nur: kommt es bei mir als Führungskraft an? Weil oft wird Feedback untereinander auf einer Ebene sehr intensiv ausgetauscht. Und dann kommt wieder eine unsichtbare Wand. Und bei mir kommt nichts an, einfach natürlich aus Angst oder auch Unsicherheit. Und wenn ich es aber schaffe, ein Umfeld zu schaffen, wo das möglich ist, die Unterhaltung haben wir oft mit Führungskräften, ohne dass ich irgendwann wirklich der Therapeut bin und jeder dann immer denkt, er kann jetzt mit allem zu mir kommen und ich müsste jetzt jedes private Problem gleich noch mit lösen, kann man da ja wirklich gute Tools finden.
Wie wird man eine bessere Führungskraft?
Dominik Josten: Wenn man sich vielleicht jetzt mal vorstellt, okay, man ist jetzt Führungskraft, ich bin selber ja auch Führungskraft, gibt es ja so einfache Tipps, Schnellstart-Tipps vielleicht, wo man anfängt? Weil ich meine, aller Anfang ist natürlich schwer, ja. Und auch wenn jetzt jeder sagt: okay, boah, ich bin jetzt schon total begeistert und alles, was sie sagt, ist richtig und ich will die perfekte Führungskraft werden. Der Weg ist ja weit und das Ziel ist ehrenwert, aber man wird wahrscheinlich scheitern, wenn man sich gleich zu hohe Ziele setzt. Von daher: was sind vielleicht so Kleinigkeiten, mit denen man mal anfangen kann? Wo man sagt: okay, die nehme ich mir jetzt mal vor, mir anzugewöhnen, um den Raum, wie du gesagt hast, beispielsweise zu schaffen oder allgemein die richtigen Voraussetzungen zu schaffen, dass es besser wird?
Saskia Rudolph: Ja, also da gibt es total schöne Methoden. Zunächst einmal, die perfekte Führungskraft ist die, die immer sagt, ich werde nie perfekt sein, das auch immer mal wieder zeigt. Und ganz kleine Methoden kennen wir von vielen Unternehmen. Finde ich, machen die super gut, wie so eine Art Check-in jeden Tag. Teilweise machen das die Leute per Slackchannel, einfach nur online oder einfach nur, indem sie ganz kurz mal im Kreis stehen, dass jemand ganz kurz sagt: so geht es mir heute. An dem Kunden bin ich gerade dran. Von dir und dir könnte ich heute Hilfe brauche, also wirklich nur so ein Wort, und dann und dann mache ich heute Feierabend. Also einfach nur so ganz schnell. Das sind so ganz kleine Sachen, die uns menschlich zusammenbringen.
Dann gibt es auch eine schöne Methode. Das ist die What-went-well-Methode. Dass man am Anfang von Meetings oder auch am Ende einer Woche einfach nochmal gemeinsam rekapituliert, was denn gut gelaufen ist in dieser Woche. Also wo Kommunikation gut funktioniert hat, wo vielleicht ein Meilenstein erreicht wurde, ohne dass man Schwieriges und Kompliziertes wegredet, aber einfach Positives auch mal bewusst, weil unser Gehirn funktioniert leider oft sehr negativ, auf den Tisch legt in der Wahrnehmung, das andere ist ja trotzdem noch da. Und die dritte Methode, die ich super wichtig finde, ist: ganz viele Fragen zu stellen. Also nicht Dinge, die passieren, einfach als gegeben anzunehmen, sondern bewusst die eigenen Mitarbeiter zu beobachten, ihnen wirklich empathisch zuzuhören und ihnen bewusst Fragen zu stellen. Und wir machen in den Workshops immer eine Übung, die heißt die 5W-Übung, wo man einfach fünfmal weiter „warum“ fragt. Also irgendjemand sagt: das kotzt mich an.
Dominik Josten: So wie kleine Kinder quasi immer. Warum?
Saskia Rudolph: Ja, aber wirklich, ne. Also du hast total recht, wie kleine Kinder, genau. Mich kotzt das an, ich habe keinen Stellplatz im Parkhaus, so ganz banal irgendwie, ja. Warum brauchst du denn unbedingt einen? Ja, ich muss schnell im Büro sein. Warum denkst du denn, du musst, so dieses. Und meistens kommt man nach fünf Warum’s an einen Punkt, wo plötzlich die wahren Gründe aufgedeckt werden, die man sich vielleicht oft sonst gar nicht traut zu erfragen. Und die machen wir ganz oft. Und da kommen immer sehr interessante Dinge dabei raus. Also das ist sehr spannend. Das sind so kleine Sachen. Und davon gibt es tausende, die ich super gut finde.
Dominik Josten: Jetzt hat man das entdeckt. Jetzt hast du die Warum’s alle gefragt. Und jetzt hast du festgestellt, okay, also keine Ahnung, der Mitarbeiter hat das Gefühl, er wird nicht ausreichend in seiner Entwicklung jetzt unterstützt oder sowas. Jetzt vielleicht das eigentliche, der Grund sozusagen hinter seiner Unzufriedenheit. Jetzt hat man Erkenntnis, ja. Also ich weiß nicht, früher gab es mal diese Trennung zwischen Psychoanalyse und Psychotherapie. Die einen wollen nur rausfinden, woran es liegt. Und die anderen sagen, wir wollen es vor allem lösen.
Saskia Rudolph: Verhaltenstherapie und Tiefenpsychologie, oder?
Dominik Josten: Oder so, genau, ja. Und ja, was machst du dann? Also wie vermittelt man der Führungskraft das jetzt? Wenn man jetzt sagt, okay - wir gehen mal davon aus, sie ist grundsätzlich willig das zu lernen - aber jetzt sind ja viele Führungskräfte doch so, dass sie ein bisschen denken: hey, jetzt habe ich gerade mal mein Team, das läuft und ich erreiche die Zahlen. Und wenn ich jetzt hier die besten Leute irgendwie auf eine neue Stelle wegkomplementiere, dann muss ich wieder mit den Junioren anfangen. Und dann machen die anderen Führungskräfte die Karriere, die dann die Top-Leute bei sich haben.
Saskia Rudolph: Absolut. Auch hier ist natürlich wieder sensibles Agieren gefragt. Was oft passiert, übrigens auch außerhalb der Arbeitswelt auch in Beziehungen, ist, wenn irgendwie ein Problem auftaucht, dass dann einer irgendwie das Gefühl hat, ich brauche jetzt hier eine Lösung und ich lege mir das jetzt zurecht. Und jetzt wirst du darüber informiert, wie es jetzt weitergeht, weil ich habe anscheinend erkannt, was dein Problem ist. Und dann, wie du gerade sagst, setzen wir dich halt jetzt mal wo anders hin. Oder versuche doch mal das oder das. Und die andere Person wird auch da wieder nicht mehr mitgedacht.
Was es wirklich braucht, ist wirklich auch hier ein Prozess, der in einem mehrstufigen Verfahren wen anderen einfach die ganze Zeit miteinbezieht. Also klar kann man denjenigen erstmal informieren und sagen: du, ich habe jetzt festgestellt, irgendwie läuft es bei dir nicht so richtig. Und jetzt gucken wir gemeinsam über die Ebenen. Wir versuchen, dass du mitsprechen, äußern kannst, wo es hakt, bis hin zu einer Mitbestimmung und dann zu einer Selbstbestimmung einfach. Im Trendjargon nennt sich das Job-Crafting. Also einfach über mehrere Ebenen hinweg die Person selbst zu befähigen, ihren Weg zu gehen, anstatt wieder in diesem alten Führungsdesign, was ja leider oft noch herrscht, zu sagen: okay, ich sorge jetzt dafür, dass mein Untergebener/Untergebene wieder auf den richtigen Pfad gelangt. Die können das selber. Man muss ihnen aber einfach schrittweise ermöglichen, dass die diese Eigenkompetenz entwickeln. Weil das ist für mich als Führungskraft auf lange Sicht ja das Beste, ein Team, was sich einfach eigenverantwortlich mitdenkend, mitfühlend, selbst hilft sozusagen, anstatt immer wieder anzukommen.
Dominik Josten: Also quasi könnte man sagen, Verantwortung übernehmen heißt, Verantwortung abgeben?
Saskia Rudolph: Oh ja, Absolut. Und zwar in jeglicher Hinsicht. Also das ist ja das Schöne. Führungskraft ist ja wirklich eigentlich nichts anderes als Elternsein, als Lehrersein. Also dieses im Team, in diesem Konstrukt zu agieren und sich selbst nicht als Mittelpunkt der Welt zu sehen, sondern sich selbst auch als Mensch und als fühlendes, empathisches Wesen einfach im Austausch immer wieder dieses Konstrukt zu bewegen und sich selbst nicht allzu sehr zu erhöhen, denn das geht immer schief.
Dominik Josten: Ja, wie gesagt, die Schwierigkeit ist, glaube ich bei vielen tatsächlich so ein bisschen die Praxis, ja. Wenn jemand jetzt nur irgendeinen Job hat, keine Ahnung, als Rezeptionistin, aber findet den halt nicht gut und fühlt sich da halt nicht ausgefüllt, das ist halt unheimlich schwer, da jetzt vielleicht mal Perspektiven aufzuzeigen, wenn es die halt eigentlich nicht gibt, weil man ansonsten, keine Ahnung, ein Ingenieurbüro oder so ist, ja.
Saskia Rudolph: Das stimmt. Und Eigenverantwortung zu übergeben, heißt aber ja auch, jeder kann ja immer gehen. Also wir sind auf dem Austausch mit Führungskräften. Hatte erst wieder im Januar ein großes Seminar, die gesagt haben: diese Person macht eigentlich gar nichts mehr. Also die sitzt in meinem Team, aber sie erfüllt eigentlich keinen einzigen Punkt ihres Arbeitsvertrages. Und ich schleife die seit Monaten mit. Ich kann nicht mehr. Ich weiß nicht mehr, was ich mit der Person machen soll. Ich weiß, die hat zuhause Probleme, da läuft einiges schief. Ich will die irgendwie auch schützen. Ich weiß ja, dass sie es mal konnte, aber manchmal ist einfach auch rein wirtschaftlich der Punkt erreicht, wo man sagen muss: sorry, wir haben da einen Vertrag und da geht es um das und das. Und bei aller Empathie und bei allem Zuhören, wir müssen hier irgendwie weiter vorankommen, weil diese Personen ja auch die Teamstruktur oft nachhaltig stören, weil alle anderen das ja mitbekommen. Und alle anderen dann die Aufgaben dieser Person ja mitmachen müssen, wo dann auch einfach manchmal der Punkt ist, wo man sagt: das geht hier an dieser Stelle nicht weiter. So dieses „reiß dich zusammen“ klingt total bescheuert, aber, ne, du.
Dominik Josten: Ich weiß was du meinst. Und es ist auch wirklich, glaube ich, ein wichtiger Punkt. Es widerspricht vielleicht dem, was, keine Ahnung, so in der Armee oder sowas als moralisch gilt. Wir lassen keinen zurück, aber ich glaube, in der Wirtschaft, im Team muss man manchmal auch mal schauen. Man wird nicht jeden durch jede Krise und durch jedes Problem immer mitnehmen können, wenn vielleicht die Person am Ende ein Teil von oder das Problem selber ist.
Saskia Rudolph: Richtig. Weil es dadurch ja auch zu meinem Problem wird, ne. Also je mehr solche Leute ich in meinem Team habe, desto schwieriger wird es ja auch für mich als Führungskraft, Vision, Strategien zu entwickeln, für die Zukunft weiterzudenken, weil ich also immer nur damit beschäftigt bin, Pflaster auf all die Wunden zu kleben, die da sind. Und ich kann ganz viel versuchen. Und ich kann viel durch Coaching, Austausch, gute Kommunikation versuchen, aber es gibt, das sagt man ja auch in jeder zwischenmenschlichen Beziehung, einfach Punkte, da sollte man sich einfach trennen.
Dominik Josten: Ja, ich meine, eine frühere Führungskraft von mir wiederum hat immer gesagt, also er geht an alles nach diesem Dreiklang dran: Entweder love it, change it or leave it, ja. Also entweder er findet es großartig oder er versucht es zu ändern. Und wenn alles nicht hilft, dann muss man im Zweifel auch mal irgendwie was Neues suchen.
Saskia Rudolph: Richtig.
Was ist mit Zielvereinbarungen? Glück oder Unglück?
Dominik Josten: Ich hätte nochmal eine kurze Frage. Weil du hast eben das PERMA-Modell und die verschiedenen Buchstaben vorgelesen. Und da war ganz hinten dran auch Achievement, Accomplishment, Ziele so ein bisschen. Jetzt ist ja dieses Thema Zielsetzungen, Zielvereinbarungen im Unternehmen durchaus umstritten in den letzten Jahren.
Saskia Rudolph: Ja.
Dominik Josten: Wie siehst du das? Also grundsätzlich, wenn du sagst, es ist eigentlich doch schon ein wichtiger Aspekt der Motivationsziele, aber? Oder was würdest du zu Zielen raten? Zielvereinbarung ja/nein? Das ist sehr schwarz-weiß wahrscheinlich.
Saskia Rudolph: Doch und aber. Genau. Ja, jahrelang hat ja in jedem Workshop dann immer, wenn es um Ziele und Vision ging, jemand diese Folie aufgelegt, wo dann riesengroß S.M.A.R.T stand. Also die smarten Ziele, die kennst du garantiert auch. So nach dem Mott jedes Ziel muss spezifisch messbar, total attraktiv, aber auch realistisch und terminiert sein. Und da wird es immer draufgepackt und so dem Motto: okay, was wir brauchen, ist immer erst eine Definition, dann eine Strategie. Dann müssen wir gut planen, dann führen wir aus und dann haben wir ein Ergebnis. Das ist so dieses.
Und dann denkst Du immer so: ja, hallo? Praxis? Und wir merken natürlich an der Psychologie und auch im Neudenken von Arbeit, New Work und auch vom neuen Wirtschaften, dass dieses Krasse: okay, wir brauchen Ziele, wir brauchen Meilensteine, so ein bisschen aufgelöst wird in ein sehr viel agileren iterativeren Prozess. Und was wir immer sagen, ist eigentlich was, was die Pfadfinder schon immer gesagt haben, nämlich dieses: es kommt auch eigentlich drauf an, so jeden Tag eine gute Tat. Klar muss uns klar sein, in welche grobe Zukunft wir steuern und was wir konkret für Werte haben, wo wir hin wollen, wofür unser Unternehmen steht. Das sollte auch jedem klar sein, der sich da betätigt. Das brauchen wir. Wir brauchen eine Erkenntnis darüber, welche Rolle jeder Einzelne spielt. Aber die kleinen Ziele und das innen drin ist eigentlich etwas, was jeden Tag gelebt werden sollte und auch jeden Tag wieder überdacht werden darf und auch jeden Tag wieder in Frage gestellt werden darf.
Und ich glaube, das Falscheste was man machen kann, ist wirklich dieses typische „okay, das ist unser Plan und dem rennen wir jetzt hinterher“, weil man sieht ja ganz genau, wenn sowas passiert, wie die Pandemie, in der wir gerade unterwegs sind, kannst du alles über den Haufen werfen, was du hier jemals geplant hast. Und da genauso menschlich zu reagieren und da genauso zu sagen: wir müssen einfach jeden Tag gucken, wo sind wir gerade am besten aufgehoben? Wo ist jeder Einzelne am besten in der Lage, sein Wissen einzubringen? Dann werden wir die Ziele auch erreichen. Und es gibt ja so einen Unterschied zwischen Zielen, also Dinge, die wir immer versuchen so ein bisschen abzuhaken und diesen großen Wertekomplex. Und man denkt oft, okay, wenn ich XYZ abgehakt habe, dann ist alles erledigt. Das passiert ja nie. Und darum sollte es ja auch nicht gehen. Sondern dieses ständige wirklich im Austausch bleiben und sich austauschen, ist, glaube ich, das wichtigste.
Dominik Josten: Also sprich, du plädierst so ein bisschen dafür, ja, so das große, übergreifende Ziel, die Vision schon wichtig, aber ansonsten vielleicht lieber mal immer wieder Etappenziele und vor allem auch sich dann darüber freuen, was man wieder erreicht hat. Das ist wahrscheinlich auch ein wichtiger Punkt, oder?
Saskia Rudolph: Also das ist total wichtig. Das fällt tatsächlich auch sehr oft weg. Also wir haben immer noch eine Feedback-Kultur in Deutschland, wo erreichte Ziele so ein bisschen, ja, okay, dann jetzt weiter, wo halt Missgeschicke immer noch so an den Pranger gestellt werden, aber Erfolge nur sehr wenig auch gefeiert werden. Das ist sehr schade, weil das ja auch motiviert. Und was uns auch oft fehlt, ist dieses zwischendrin immer wieder zurücktreten. Also immer wieder zwischendrin auch mal schauen: rennen wir nur noch? Oder rennen wir noch gemeinsam in die gleiche Richtung? Und ist diese Richtung vielleicht ein Abgrund? Weil nur rennen muss ja auch nicht richtig sein. Und immer wieder zu schauen: wo ist denn unser Kompass? Und wo laufen wir denn hin? Und dazu braucht es einfach unglaublich viel Austausch und Neuanfänge. Und ich glaube, das ist das Wichtigste, weil genau wie du sagst, ja.
Dominik Josten: Ich sehe gerade auf der Uhr, wir müssen so langsam schon zum Schluss kommen.
Wie können Personaler die Führungskultur positiv beeinflussen?
Dominik Josten: Aber ich habe auch noch eine Frage, die mich sehr interessiert, weil ich glaube, viele Personaler, die hören sich das jetzt vielleicht an und denken sich auch: ja, ist ja auch alles richtig, weiß ich ja. Aber stellen sich dann ihre Führungskräfte vor ihrem geistigen Auge vor und, ja, werden jetzt schon wieder fast ein bisschen deprimiert, weil die jedes Mal, wenn sie mit einem Führungskräftetraining ankommen, eigentlich nur zurückkommen, ja, ist alles Zeitverschwendung und noch einen Termin. Und wir haben doch eh schon keine Zeit. Wenn man jetzt als Personaler nicht gleich aufgeben will, klar, du hast eben gesagt, man kann niemanden zwingen sozusagen und das von außen reindrücken, aber vielleicht gibt es ja trotzdem so ein paar, ja, mal Tipps oder Wege aus deinen Erfahrungen, die vielleicht helfen, diese, ja, Leute vielleicht dann doch zu knacken oder ihnen so ein bisschen den Mehrwert zu zeigen. Also sie zum Wollen zu motivieren, ja.
Saskia Rudolph: It’s all about Labelling. Also wir labeln viele Sachen tatsächlich um. Also wir sagen: um Gottes willen, sagt denen nicht, dass wir jetzt ein Führungskräftetraining hier anbieten oder vielleicht irgendwie so Entwicklungs-Workshop oder weißt du so, alles was schon wieder so klingt, oh nein, nicht noch was, ja. Wir machen tatsächlich unglaublich viele Angebote für Führungskräfte, die nicht im Unternehmen stattfinden. Also dieses große Thema raus aus den eigenen vier Wänden, diese typischen Offsites, wo die sich einfach auch als Menschen auch begegnen und einen Raum haben, wo sie sich mal ganz anders austauschen können. Und anstatt diese typischen Themen mit Folien so auf den Tisch zu packen, führen heißt Verantwortung, heißt, gute Kommunikation, lassen wir die das einfach spüren, indem sie halt einfach eine gute Zeit haben. Wir versuchen einfach so in die intrinsische Motivationsebene reinzugehen. Und anstatt immer so von außen zu sagen: wenn du das und das befolgst, dann wirst du eine gute Führungskraft sein. Nein, wir wandern. Wir machen mit den Sachen, wo sie selber spüren, wo ihre Stärken liegen, was sie gut können, wo sie sich selbst gewertschätzt fühlen. Denn das ist auch was, was wir als Rückmeldung sehr oft bekommen. Ich versuche doch hier oben alles, aber wer lobt mich denn? So, wer sagt mir denn, dass ich meine Sache gut mache? Ich kriege immer nur von allen Seiten wieder gesagt: du musst aber noch. Wo ist denn die Ebene, die mich unterstützt und die mir hilft? Und diese Wertschätzung, die man erwartet, dass sie die anderen entgegenbringen, einfach auch selbst an sie heranzutragen als HR-Abteilung, als noch übergeordnet eben ist bei euch das wesentlich.
Dominik Josten: Ja, jede Führungskraft ist auch Mitarbeiter. Und deshalb, denke ich, fängt es auch immer ganz oben an, auch Geschäftsführer, CEOs müssen letztendlich das gleiche Lob verteilen an ihre Vorstandskollegen, auch wenn sich das vielleicht manchmal ein bisschen komisch anfühlt, wenn der eine 58-jährige zum anderen 55-jährigen sagt: boah, das. hast du super gemacht, ja.
Saskia Rudolph: Das gibt es aber.
Dominik Josten: Aber wahrscheinlich ist es am Ende tatsächlich das dann.
Saskia Rudolph: Ja.
Dominik Josten: Dann passt vielleicht die Eltern-Metapher nicht mehr ganz so gut. Aber am Ende, Anerkennung kann jeder gebrauchen da.
Saskia Rudolph: Ist ja eher eine neu verstandene Form von Elternsein. Also nicht dieses von oben herab, sondern diese gemeinsam in einem familiären Konstrukt.
Dominik Josten: Gemeinsam feiern, was man erreicht hat, ja.
Saskia Rudolph: Ja, auf jeden Fall.
Dominik Josten: Ich glaube, das ist ein gutes Schlusswort. Und du hast auch nochmal geschafft unter zu bringen, was die eben auch machen können. Weil ich glaube, diese externen Impulse sind ja vielleicht manchmal wirklich auch ganz hilfreich, ja. Weil so aus der eigenen Erkenntnis, ich denke, das ist ja wie eben am Anfang bei der Psychotherapie halt auch. Wer alle Antworten quasi oder alle Analysen selbst machen könnte, der bräuchte das wahrscheinlich nicht. Und die richtigen Fragen zu stellen ist ja oft das größte, oder? Der wichtigste Hebel bei dem Ganzen.
Saskia Rudolph: Genau. Man kann es auch selbst tatsächlich nicht. Also bei uns denken auch immer alle, ihr seid doch die Oberexperten. Ihr müsstet ja die unglaublich glücklichsten Leben aller Zeiten führen. Du kannst das nicht selber. Du brauchst immer andere, die dir wieder die guten Fragen stellen und die dich auffangen. Deswegen ist das auch keine Schwäche, so zuzugeben, dass man da von Externen einfach Guidance und Unterstützung braucht.
Dominik Josten: Ja, Impulse, Inspiration vielleicht, das ist wahrscheinlich das Entscheidendste. Weil das wäre auch das, was mir in einem Vortrag von vor einem halben Jahr einfach hängen geblieben ist. Es sind ja oft gar nicht mal irgendwie die weltbewegenden Neuerkenntnisse, wo man denkt, hat man noch nie gehört, hat man noch nie darüber nachgedacht, aber man macht sie sich mal wieder bewusst, ja, und stellt fest: ja, okay, ist irgendwie doch was dran, ja. Also mir ist vor allem hängen geblieben, du hast, glaube ich, damals gesagt: man wird zum Durchschnitt der fünf Menschen, mit denen man am meisten zu tun hat, wenn ich mich recht erinnere. Und das ist tatsächlich was, wenn man dann mal im Alltag drauf achtet, dann stellt man es halt echt fest. Ja, man denkt irgendwie, man passt sich echt immer mehr so Leuten an. Und dann müssen das wirklich diejenigen, ist man sozusagen so, wie man werden will, ja.
Saskia, ich könnte mich noch über ewig über Dinge mit dir unterhalten. Du hast eben auch das Thema Werte noch angesprochen. Das ist ja auch nochmal so eine ganze Geschichte von sich, ja. Wenn einem dann irgendwelche Werte, Workshops irgendwelche Leute dann entscheiden, das sind jetzt die sechs Werte unserer Firma.
Saskia Rudolph: Oh man.
Dominik Josten: Da gibt es noch vieles worüber man reden kann. Also vielleicht müssen wir irgendwann mal eine Fortsetzung machen. Heute sind wir allerdings zeitlich am Ende.
Fazit von Saskia Rudolph - nicht unterkriegen lassen
Dominik Josten: Von daher, die letzte Frage an dich, der Gast hat quasi so ein bisschen das Schlusswort. Was gibt es, was du vielleicht den Leuten, den Personaler da draußen mitgeben möchtest? Also außer ruf dich an und buch Dich. Vielleicht so ein bisschen, was die vielleicht zum Nachgang einfach mal mitnehmen können und mal darüber nachdenken oder vielleicht auch nochmal ausprobieren.
Saskia Rudolph: Was wir wirklich oft sagen, ist einfach so dieses: lasst euch nicht unterkriegen. Also dieses, was ich vorhin halt gesagt: nur weil man in einer bestimmten Position ist, heißt das ja nicht, dass man allwissend sein muss und alles auf die Reihe kriegen muss. Um Gottes willen. Also jeder Mensch struggled und jeder Mensch braucht eben diese Inspiration von außen. Und nur weil man eine bestimmte Rolle hat, heißt das nicht, dass man so oder so zu sein hat. Man kann das ganz selbst bestimmen, wie man diese Rolle ausfüllt. Und wenn man sich da an denen orientiert, die einem selbst gut behandelt und viel beigebracht haben, dann ist das, glaube ich, schon die halbe Miete. Und ich glaube, darauf kommt es an, dieses mutige Umschauen nach den eigenen Werten.
Dominik Josten: Sehr schönes Schlusswort. Und ich glaube, gerade Personaler kennen dieses Gefühl, dass man manchmal aufgeben will bei all den Widerständen. Und ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt. Dranbleiben, dran glauben, dass man was ändern kann und dann wird es wahrscheinlich mit der Zeit auch klappen.
Saskia Rudolph: Total.
Dominik Josten: Saskia, ich danke dir ganz herzlich für die Ideen, Einblicke, aber auch Impulse für unsere Zuhörer, einfach mal drüber nachzudenken. Auch gerade über das Thema positives Führen, positive Emotionen, drüber reden, Emotionen zulassen, Schwäche zeigen, Ziele aber auch feiern, gemeinsam gestalten in Beziehungen quasi. Und ich glaube, da steckt viel drin. Und ich hoffe, dass sich das möglichst viele, ja, mitnehmen, einfach drüber nachdenken, für sich als Inspiration in die Unternehmen tragen. Und wenn Sie dann noch Hilfe brauchen, bin ich sicher, du hilfst ihnen gerne. Wir verlinken das natürlich in den Shownotes. Also ganz herzlichen Dank, hat mir sehr viel Spaß gemacht.
Saskia Rudolph: Sehr gerne.
Dominik Josten: Schönen Nachmittag und bis bald mal.
Saskia Rudolph: Ciao.
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